Rz. 18

Die zeitbezogene Vergütung gilt als das grundsätzlich fairste Vergütungsprinzip für Testamentsvollstrecker.[41] Im vermögensverwaltenden Bereich, aber auch im Bereich der Abrechnung anwaltlicher Honorare, hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass tätigkeitsbezogene Vergütungen der Qualität der Arbeit eher förderlich sind als provisions- oder streitwertabhängige Vergütungen. Es ist daher grundsätzlich kein Anlass ersichtlich, warum im Bereich der qualifizierten Testamentsvollstreckung etwas anderes gelten sollte und warum die zeitabhängige Vergütung nicht ebenso geeignet sein soll, die angemessene Testamentsvollstreckervergütung im Sinne des § 2221 BGB zu ermitteln, als die bisherigen Modelle einer im wesentlichen wertabhängigen Vergütung. Allein schon die Vielzahl der Tabellen und die Unsicherheiten in ihrer Anwendung[42] zeigen, dass der Wertgebühr ein zu hohes Maß an Rechtssicherheit beigemessen wird, dem sie in der Praxis nicht gerecht werden kann.

 

Rz. 19

Der BGH hat sich im Jahr 2005 im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Frage eines Zeithonorars als Kriterium für die Angemessenheitsbestimmung im Rahmen des § 2221 BGB beschäftigt. Hieraus wurde in der Literatur zunächst teilweise geschlussfolgert, der BGH habe sich ausdrücklich gegen die Zeitvergütung zur Bemessung der Angemessenheit der Vergütung i.S.d. § 2221 BGB ausgesprochen.[43] Tatsächlich weist der BGH für den konkret entschiedenen Fall einer Erbteilsvollstreckung darauf hin, dass bei der gegebenen Sachlage "die Heranziehung des Gesamtnachlasswertes als eines Gesichtspunkts unter anderen zur Ermittlung des angemessenen Honorars für den Erbteilsvollstrecker nicht als grundsätzlich verfehlt angesehen werden (kann)".[44] Eine Entscheidung gegen eine zeitabhängige Vergütung als eine Möglichkeit zur Bestimmung des angemessenen Honorars eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2221 BGB, wie sie in der Literatur insbesondere von Zimmermann[45] und der ihm folgenden modernen Auffassung[46] vertreten wird, wird man hierin nicht sehen können. Mittlerweile hat sich auch die gegenüber der Zeitvergütung eher kritisch eingestellte Literatur dieser Auffassung angeschlossen.[47] Zudem hat der BGH die Veränderungen in der Testamentsvollstreckerlandschaft noch nicht berücksichtigen können. Vergleicht man zudem die Entwicklung in der Schweiz, deren Rechtsinstitut der Willensvollstreckung dem der deutschen Testamentsvollstreckung ähnlich ist, so stellt man fest, dass dort eine Abkehr von wertbezogenen Pauschalvergütungen hin zu einer stundenbezogenen Vergütung erfolgte.[48] Auch deutsche Gerichte haben mittlerweile gezeigt, dass sie mit der Kontrolle von – zumeist anwaltlichen – Zeitvergütungen sachgerecht umzugehen verstehen.[49]

 

Rz. 20

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat die Ermittlung des angemessenen Honorars des Testamentsvollstreckers aufgrund des Stundenaufwandes ohnehin schon frühzeitig gebilligt, "da der Zeitaufwand ein maßgebliches Bemessungskriterium" darstelle.[50] Welcher Zeitaufwand dabei als angemessen anzusehen ist, ist noch nicht abschließend geklärt und wird auch nicht abschließend geklärt werden können, da er sehr von den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles – Ordnung und Struktur des Nachlasses, Umfang der Aufgaben des Testamentsvollstreckers, um nur wenige exemplarisch zu nennen – abhängig ist.

Immerhin gibt es mittlerweile Anhaltspunkte aus der Praxis, die die schon lange von Reimann geäußerte Auffassung, die meisten Menschen wüssten gar nicht, wie zeitaufwendig eine Testamentsvollstreckung sein könne,[51] mit Ergebnissen aus Umfragen unter Praktikern der Testamentsvollstreckung stützen. Abwicklungsvollstreckungen erfordern selten mehr als 1.000 Arbeitsstunden (2 % der Nennungen) und lassen sich zu etwa gleichen Teilen mit einem Zeitaufwand von bis zu 500 Stunden oder zwischen 500 und 1.000 Arbeitsstunden erledigen.[52]

Tatsächlich zeigen andere Umfragen[53] oder geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckern ein hohes Zustimmungspotenzial für die Zeitvergütung.

 

Rz. 21

Kritiker führen an, die durch eine Abrechnung nach Zeitaufwand aufgeworfenen Fragen, z.B. wie viele Stunden man angemessenerweise für eine bestimmte Tätigkeit benötige oder welcher Stundensatz angemessen sei, seien noch nicht hinreichend geklärt, sodass es an Rechtssicherheit fehle.[54] Dies kann selbstverständlich kein valides Argument sein. Entsprechend entschied das OLG Köln bereits im Jahre 1988, dass gegen eine Ermittlung des angemessenen Honorars aufgrund des Stundenaufwandes keinerlei Bedenken bestünden, da der Zeitaufwand ein maßgebliches Bemessungskriterium darstelle.[55]

 

Rz. 22

Im Fokus stehen immer wieder sog. Zeittaktklauseln. Danach ist eine Abrechnung nach angefangenen Stunden bzw. Minuten vorgesehen. Dieser Abrechnungsmechanismus findet sich auch in der anwaltlichen Praxis. Es erscheint naheliegend, die hierzu ergangene Rechtsprechung auch auf die Testamentsvollstreckung zu übertragen. Danach sind Zeittaktklauseln von 15 Minuten regelmäßig zu...

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