Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 105
Der hinter dieser Problematik stehende Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass eine unangemessen hohe Testamentsvollstreckervergütung gedanklich aufgeteilt und wie folgt betrachtet werden kann: Der Teil der Vergütung, der die anhand der Tabellen ermittelten Vergütungssätze übersteigt, ist unangemessen hoch. Zivilrechtlich soll der unangemessene Teil der Vergütung ein unter der Bedingung der Amtsannahme stehendes Vermächtnis darstellen. Hinter dieser zivilrechtlichen Fiktion stehen insolvenzrechtliche Überlegungen. Während die Testamentsvollstreckervergütung in angemessener Höhe zu den Masseschulden (§ 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO) zählt, wird sie nach einer Auffassung in der Literatur im Übrigen zu den nachrangigen Ansprüchen nach § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO gerechnet und so verhindert, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker durch die Festlegung einer überhöhten Vergütung zum Nachteil anderer Nachlassgläubiger bevorzugen kann.
Rz. 106
Steuerrechtlich war lange streitig, in welchem Verhältnis der angemessene und der unangemessene Teil der Vergütung zueinander stehen. Das FG Düsseldorf ging in seinem Urt. v. 9.1.2002 noch davon aus, dass der unangemessene Vergütungsanteil als ein durch die Amtsannahme bedingtes erbschaftsteuerpflichtiges Vermächtnis zu behandeln sei, und zwar unabhängig davon, dass die gesamte Vergütung auch der Einkommensbesteuerung unterlegen habe.
Der vielfältigen Kritik an dieser Auffassung, insbesondere dahingehend, dass sie zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung im klassischen Sinne führe, bei der derselbe steuerpflichtige Vorgang zwei Steuerarten gleichzeitig unterworfen werde, hat sich der BFH in seinem Urt. v. 2.2.2005 im Revisionsverfahren angeschlossen. Er stellte ausdrücklich klar, dass zivilrechtliche Fiktionen für das Erbschaftsteuerrecht nicht verbindlich sind, sondern jeder gesetzliche Tatbestand nach seiner eigenen, spezifischen Teleologie auszulegen sei. Nach Auffassung des BFH besteht eine Vermutung dafür, dass eine vom Erblasser als Testamentsvollstreckervergütung bezeichnete Vergütung tatsächlich und rechtlich mit der Testamentsvollstreckung zusammenhinge und folglich insgesamt nur eine einkommensteuerbare Vergütung sein könne. Nur ausnahmsweise komme eine erbschaftsteuerliche Beurteilung als Vermächtnis in Betracht, wenn besondere Umstände im Einzelfall vorliegen, dass das als Testamentsvollstreckervergütung bezeichnete Honorar tatsächlich und rechtlich nicht mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt.
Rz. 107
Die Auffassung des BFH ist in der Praxis durchgängig auf Zustimmung gestoßen. Im Rahmen der Erbschaftbesteuerung braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die Vergütung des Testamentsvollstreckers angemessen ist, die systemwidrige Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer ist – jedenfalls für das Gros der Fälle – ausgeschlossen. Gleichwohl erscheint Streit mit dem Finanzamt nicht völlig ausgeschlossen. In Zweifelsfällen wird für die Beurteilung darauf abzustellen sein, ob sich die über eine angemessene Honorierung des Testamentsvollstreckers hinausgehende Vergütung noch im Rahmen des Sozialüblichen und betrieblich Erwartbaren hält. Da die Belastung mit Erbschaftsteuer regelmäßig günstiger ist, sollte ein das angemessene Entgelt übersteigender Betrag dem Testamentsvollstrecker ausdrücklich als (unbedingtes) Vermächtnis zugewendet werden.
Gestaltungshinweis
Folgt man dieser Empfehlung, wäre der im Vermächtniswege zugewiesene Betrag konsequenterweise auch nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Inwieweit sich dieser Ansatz in der Praxis erfolgreich durchsetzen lässt, bleibt zwar abzuwarten, denn der BFH hat andererseits auch die Auffassung vertreten, dass eine für den Gewerbebetrieb eines Steuerpflichtigen bestimmte Erbschaft auch zu Betriebseinnahmen führe. Gleichwohl bleibt der Ansatz bedenkenswert, da er in geeigneten Fällen nach exakter Prüfung und Abwägung aller Risiken zumindest eine Option zur steuerlichen Optimierung eröffnet.