Rz. 40
Am 3.12.2008 hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob eine als "Gegenleistung" für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erfolgte Grundstücksübertragung sowie eine Zahlung der Eltern an ihre Tochter unter § 2325 BGB fällt, also als unentgeltliche Leistung im Sinne einer Schenkung anzusehen ist. Die herrschende Auffassung in der Literatur war bis dahin der Auffassung gefolgt, die Abfindung für einen Erbverzicht, die sich am Wert des Erbteils orientiere und nicht deutlich über ihn hinausgehe, stelle keine Schenkung, sondern ein entgeltliches Geschäft dar, so dass sich der Anwendungsbereich des § 2325 BGB von vornherein nicht ergebe.
Rz. 41
Der BGH bekräftigt die auch schon bis dahin von der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die Abfindung für einen Erbverzicht sei als unentgeltliche Zuwendung einzuordnen. § 2325 BGB müsse mit Rücksicht auf eine, infolge des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht, eintretende Erhöhung des Pflichtteils nach § 2310 S. 2 BGB allerdings einschränkend ausgelegt werden: Hält sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden, wird davon auszugehen sein, dass sie grundsätzlich zugunsten des Pflichtteilsberechtigten durch § 2310 S. 2 BGB kompensiert wird. Der Pflichtteilsberechtigte soll wegen derselben, für den Erbverzicht eines gesetzlichen Erben geleisteten Abfindung nicht neben dem erhöhten Pflichtteil auch noch einen Ergänzungsanspruch erhalten. Eine Pflichtteilsergänzung kommt mithin nur in Betracht, soweit die Leistungen des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung für dessen Erbverzicht hinausgehen.
Rz. 42
Damit schließt sich der BGH im Wesentlichen der vermittelnden Auffassung an, die zunächst einmal von grundsätzlicher Unentgeltlichkeit ausgeht, allerdings einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nur insoweit zuspricht, als die Leistung über eine angemessene Abfindung hinausgeht. Hierbei ist allerdings auf den Wert des Erbteils und nicht auf den Wert des Pflichtteils abzustellen, auf den verzichtet wird. Die bis 1985 vertretene gegenteilige Auffassung wurde ausdrücklich aufgegeben.
Rz. 43
Im Zusammenhang mit einem Erbverzicht ist diese Rechtsprechung auch nachvollziehbar, denn wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils der anderen Beteiligten maßgebenden Erbteils nicht mitgezählt (§ 2310 S. 2 BGB) oder umgekehrt: Die Pflichtteilsquote der nicht Verzichtenden erhöht sich, da der Verzichtende als nicht mehr vorhanden gilt. Diese Kompensation ist es, die als Rechtfertigung dafür angeführt wird, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht wegen derselben, für den Erbverzicht eines gesetzlichen Erben geleisteten Abfindung neben dem erhöhten Pflichtteil auch noch einen Ergänzungsanspruch haben soll. Dazu auch Schindler, der die Lösung des BGH jedoch nicht als insgesamt überzeugend ansieht. Im Zusammenhang mit einem Erbverzicht dürfte man der Lösung jedoch als schlüssig folgen können.