Rz. 8
In den Fällen der Unternehmensnachfolge dürfte ein entgeltlicher Verzicht (sei es in der Form des Erbverzichts oder in der Form des Pflichtteilsverzichts) häufiger anzutreffen sein. Dann liegen dem Verzicht die Vereinbarungen zugrunde, dass der Erblasser eine bestimmte Abfindungsleistung zu erbringen hat, während andererseits der Verzichtende den Erbverzicht zu erklären hat. Im Rahmen des hier betrachteten Kausalgeschäftes handelt es sich insoweit um einen gegenseitigen Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB. Umstritten ist allerdings nach wie vor, ob eine so vereinbarte Abfindung ihrerseits eine unentgeltliche Zuwendung ist oder den Verzicht zu einem entgeltlichen Vertrag macht. Zu den Auswirkungen im Rahmen des § 2325 BGB siehe Rdn 40.
Rz. 9
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Erbverzicht oder ein Pflichtteilsverzicht als Gegenleistung für eine Zuwendung anzusehen ist und damit der Schenkungscharakter verloren geht, ist umstritten. Im Zusammenhang mit einer Gläubigeranfechtung hat der BGH entschieden, dass der Verzicht auf den Pflichtteil keine Gegenleistung ist, die eine Verfügung zugunsten des Verzichtenden zu einer entgeltlichen macht. Im Zusammenhang mit einem Erbverzicht liegt eine Entscheidung des BGH vor, wonach es nicht darauf ankommt, ob die Abfindung als eine entgeltliche oder unentgeltliche Leistung anzusehen ist, die für einen Erbverzicht gewährt wird. Einer Pflichtteilsergänzung unterliegt jedenfalls nur die Leistung, die über ein Entgelt oder eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgeht.
Rz. 10
Ob eine Zuwendung Schenkung ist, hängt allein davon ab, ob sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass die Zuwendung tatsächlich unentgeltlich erfolgt. Dafür sind weder die Wertungen des Anfechtungsrechts noch des Pflichtteilsrechts maßgeblich. Gegen eine Schenkung, die von der Rechtsprechung an sich durchgehend bei einem Pflichtteilsverzicht unterstellt wird, kann allenfalls sprechen, dass die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter der Erberwartung zurückbleibt.
Rz. 11
Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch sogenannte entgeltliche Pflichtteilsverzichtsverträge ihrem Charakter nach weiterhin unentgeltlich bleiben und damit womöglich Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB ausgelöst werden. So hat der BGH bereits in früheren Zeiten entschieden, dass in Fällen, in dem wertvoller Grundbesitz zeitgleich mit einem Pflichtteilsverzicht übertragen wurde, gleichwohl keine Entgeltlichkeit des Pflichtteilsverzichts angenommen werden könne. Der Vorteil, den der Erblasser durch den entgegengenommenen Pflichtteilsverzicht habe, sei ausschließlich darin zu sehen, dass ihm die Testierfreiheit gewährt worden sei, und zwar über den Pflichtteil des Verzichtenden hinweg. Darin könne jedoch keine Gegenleistung zu sehen sein, denn es reiche nicht jedes beliebige Interesse aus, die Werthaltigkeit einer Zuwendung zu bejahen.
Rz. 12
Tatsächlich wird man auch annehmen können, dass in diesem "Vorteil" des Testierenden kein erheblicher wirtschaftlicher oder sonstiger Vorteil gesehen werden kann, der etwa nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG zu qualifizieren wäre. Diese zum Insolvenzrecht ergangene Entscheidung des BGH wird gelegentlich dahin gehend ausgelegt, sie habe mit der erbrechtlichen Problematik nichts zu tun.
Nach der wohl noch überwiegenden Auffassung in der Literatur stellt die Abfindung für einen Erbverzicht, soweit sie sich am Wert des Erbteils orientiert und nicht deutlich über ihn hinausgeht, keine Schenkung, sondern ein entgeltliches Geschäft dar.