Rz. 28
Die Regelungen über die Vor- und Nacherbschaft sind nur zum Teil zwingendes Recht. In dem von § 2136 BGB vorgegebenen Umfang kann der Erblasser den Vorerben von seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Nacherben befreien. Dabei gibt § 2136 BGB nur die äußerste Grenze der Befreiungsmöglichkeiten vor. Es bleibt dem Erblasser unbenommen, die Befreiung auf einzelne Verpflichtungen zu beschränken.
Rz. 29
Nicht möglich ist eine Befreiung von folgenden Beschränkungen:
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von dem Verbot der unentgeltlichen Verfügung über Nachlassgegenstände (§ 2113 Abs. 2 BGB) und der aus einer Verletzung dieser Vorschrift resultierenden Verpflichtung zum Schadensersatz (§ 2138 Abs. 2 BGB); |
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von der Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2121 BGB); |
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von der Verpflichtung, den Zustand des Nachlasses durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen (§ 2122 S. 2 BGB); |
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von dem Surrogationsgrundsatz (§ 2111 BGB); |
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von der Beschränkung der Eigengläubiger des Vorerben bei Vollstreckungshandlungen und Verfügungen des Insolvenzverwalters (§ 2115 BGB) – eine Abbedingung dieser Beschränkungen wird allerdings, da sie dem Erhalt des Nachlasses dienen, regelmäßig nicht gewollt sein. |
Rz. 30
Eine Besserstellung des Vorerben über die Befreiungen des § 2136 BGB hinaus kann beispielsweise durch die Zuwendung eines Vorausvermächtnisses (§ 2110 Abs. 2 BGB) erzielt werden.
Demgegenüber wird die Einsetzung des alleinigen Vorerben als Nacherbentestamentsvollstrecker (§ 2222 BGB) nach ganz überwiegender Meinung im Anschluss an eine Entscheidung des Reichsgerichts als unwirksam angesehen. Hieran ist mit überzeugenden Argumenten Kritik geübt worden. Der vom Reichsgericht postulierte potenzielle Interessenkonflikt ist kein tragendes Argument, da zum einen in vergleichbaren Fallgestaltungen eine Testamentsvollstreckung gleichwohl zugelassen wird und zum anderen die Vor- und Nacherbfolge nicht zwingend aus Misstrauen gegenüber den Vorerben, sondern auch aus anderen Gründen – bei denen eine Interessenkollision nicht besteht – angeordnet werden kann (Beispiel: Schutz des Nachlasses gegen Gläubiger des Vorerben oder Pflichtteilsberechtigte).
Zulässig ist nach der Rechtsprechung des BGH aber die Einsetzung eines alleinigen Vorerben als Erbentestamentsvollstrecker, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei grober Pflichtverletzung infolge eines Ersuchens nach § 2200 BGB einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann.
Allgemein als zulässig erachtet wird hingegen die Berufung eines Vorerben, wenn er in einem "Kollegium", auch zusammen mit weiteren Vorerben, zum Testamentsvollstrecker berufen wird.
Rz. 31
Die Befreiung des Vorerben muss in der letztwilligen Verfügung angeordnet sein. Eine ausdrückliche Anordnung ist nicht erforderlich, wie schon ein Blick auf die Regelung in § 2137 BGB zeigt. Es gelten vielmehr die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, insbesondere muss ein entsprechender Wille des Erblassers zumindest andeutungsweise in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck kommen. Ist dies der Fall, können auch außerhalb des Testaments liegende Umstände zur Auslegung herangezogen werden.
Rz. 32
Zur Frage, welche Formulierung in einer letztwilligen Verfügung als Anordnung einer befreiten Vorerbschaft zu verstehen ist, gibt es zahlreiche Entscheidungen vor allem in der älteren Judikatur. Gesetzlich geregelt sind in § 2137 BGB die Fälle der Einsetzung auf den Überrest und der Überlassung zur freien Verfügung. Daneben liegt die Annahme einer befreiten Vorerbschaft nahe, wenn der überlebende Partner zunächst als Vollerbe eingesetzt wird, die Vollerbschaft aber für den Fall der Wiederverheiratung auflösend bedingt und zugleich der Eintritt einer aufschiebend bedingten Vorerbschaft angeordnet ist. Der auf diese Weise eingesetzte Überlebende unterliegt aber bereits vor einer Wiederverheiratung den Beschränkungen eines befreiten Vorerben.
Ist der Vorerbe eine dem Erblasser nahestehende Person, wie z.B. der Ehegatte, während der Nacherbe ein entfernter Verwandter ist, so kann der Vorerbe stillschweigend befreit sein, wenn er wesentlich zum Vermögenserwerb des Erblassers beigetragen hat.
Rz. 33
Generell ist für die Abgrenzung von Bedeutung, ob der Nachlass nach dem Willen des Erblassers dazu dienen soll, dem Vorerben für den Rest seines Lebens ein sicheres Auskommen zu ermöglichen. Je stärker die Anordnung auf diesem Motiv beruht, umso eher wird eine Befreiung anzunehmen sein. Dies gilt insbesondere, wenn das Auskommen nur aus dem Stamm der Erbschaft sichergestellt werden kann. Dagegen spricht der Wille des Erblassers, das Vermögen als Einheit erhalten zu wollen, gegen die Annahme einer Befreiung.
Rz. 34
Die Beweislast für das Vorliegen einer Befreiung trägt derjenige, der sich auf die Befreiung beruft. Kann durch Auslegung eine Befreiung ermittelt werden, so ist eine Gesamtbefreiung als das übl...