Rz. 270
Der Vorerbe kann sich wegen einer nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Verwaltung des Nachlasses schadensersatzpflichtig machen.
Jedoch kann der Erblasser den Vorerben von der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung weitgehend befreien. Nicht abdingbar ist nur die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unentgeltlicher Verfügungen oder arglistiger Verminderung des Nachlasses (§ 2138 Abs. 2 BGB).
Der nicht befreite Vorerbe ist nach § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB zu einer fortgesetzt ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbschaft verpflichtet. Verstößt er gegen dieses Gebot, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Zu beachten ist jedoch, dass der Nacherbe nur für die Erhaltung der wertmäßigen Substanz des Nachlasses, nicht aber für die Erhaltung der konkreten Nachlassgegenstände haftet.
Rz. 271
Der Haftungsmaßstab wird durch § 2131 BGB bestimmt: Der Vorerbe haftet nur für die Außerachtlassung der Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (diligentia quam in suis). Bestehen bleibt die Haftung für grob fahrlässiges Fehlverhalten (§ 277 BGB). Der Vorerbe trägt die Beweislast, dass er auch in eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältiger verfährt.
Rz. 272
Abweichend hiervon haftet der Vorerbe bereits für einfache Fahrlässigkeit, wenn er eine der ihm von Gesetzes wegen bezüglich der Verwaltung des Nachlasses obliegenden Verpflichtungen (§§ 2113–2119, 2123 BGB) verletzt.
Der Vorerbe verletzt seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses insbesondere dann, wenn er die gesetzlichen Regelungen zur Absicherung des Nacherben missachtet:
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Bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur mündelsicheren Anlage von Geld (§ 2119 BGB), wobei zu beachten ist, dass die Anlage auch ohne eine entsprechende Aufforderung des Nacherben zu erfolgen hat (vgl. Rdn 168 ff.); |
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wenn der Vorerbe einem Verlangen des Nacherben auf Hinterlegung nach §§ 2216–2218 BGB nicht nachkommt; |
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bei einer Verfügung des Vorerben unter Verstoß gegen § 2113 BGB. Insoweit braucht sich der Nacherbe nicht auf Ansprüche gegen den Dritten verweisen zu lassen. Er kann vielmehr gegen Abtretung dieser Ansprüche von dem Vorerben Schadensersatz verlangen (vgl. Rdn 278 ff.). |
Rz. 273
Darüber hinaus sind die Kriterien für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit einer Verwaltung (§ 2120 BGB; vgl. Rdn 56 ff.) wenig griffig:
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Bei der Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, insbesondere ist das Substanzerhaltungsinteresse des Nacherben ausreichend zu berücksichtigen. |
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Maßgebend sind wirtschaftliche Gesichtspunkte. Im Rahmen der Führung eines Unternehmens kann als Maßstab nur eine unternehmerische Leitung angelegt werden. |
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Es kommt nicht auf die Ordnungsmäßigkeit einzelner Verwaltungshandlungen, sondern auf das Gesamtergebnis der Verwaltung während der Dauer der Vorerbschaft an. Die Konkretisierung hat nach den näheren Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. |
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Die Ersatzpflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Erbschaft zeitweise in einem überobligationsmäßig guten Zustand befand und das wirtschaftliche Gesamtergebnis daher den Anforderungen noch entspricht. Umgekehrt ist es aber möglich, dass der Vorerbe zunächst eingetretene Verluste durch spätere besondere Sorgfalt kompensiert. |
Rz. 274
Schließlich haftet der Vorerbe im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung auch für eine Verschlechterung eines Erbschaftsgegenstandes, die durch eine nicht ordnungsgemäße Benutzung herbeigeführt wird, §§ 2130 Abs. 1, 2132 BGB. Bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit ist wiederum der subjektive Maßstab des § 2131 BGB anzulegen.
Beweislast: Ist eine Verschlechterung eines Erbschaftsgegenstandes eingetreten, so trifft den Vorerben die Beweislast, dass die Verschlechterung auf eine ordnungsgemäße bzw. seinen Gepflogenheiten entsprechende (§ 2131 BGB) Benutzung zurückzuführen ist. Kann der Vorerbe diesen Beweis nicht erbringen, muss er für die Verschlechterung einstehen.