Rz. 279
Verfügt der Vorerbe unter Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 BGB unentgeltlich über Erbschaftsgegenstände, so ist er dem Nacherben zum Schadensersatz verpflichtet. Für den befreiten Vorerben ergibt sich diese Verpflichtung aus § 2138 Abs. 2 BGB. Gegenüber dem nicht befreiten Vorerben – für den § 2138 BGB nicht gilt – ist Anspruchsgrundlage § 2130 Abs. 1 BGB (Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung, vgl. Rdn 270 ff.).
Rz. 280
Unentgeltlichkeit liegt dann vor, wenn – objektiv – der Verfügung keine gleichwertige Leistung gegenübersteht und – subjektiv – der Vorerbe dies weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen. Bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Parteien sich über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren.
Zudem liegt ein Entgelt i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB bei einer Verfügung des nicht befreiten Vorerben nur vor, wenn die Gegenleistung in den Nachlass fließt. Allerdings wird die Gegenleistung in der Regel als Surrogat kraft Gesetzes in den Nachlass fallen, ohne dass der Vorerbe dies beeinflussen kann.
Bei befreiter Vorerbschaft ist eine Verfügung grundsätzlich auch dann entgeltlich, wenn die Gegenleistung in das Eigenvermögen des Vorerben fließt. Jedoch muss die Eingehung der Verbindlichkeit durch den befreiten Vorerben im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erfolgt sein, da anderenfalls die auch für ihn geltende Schranke des § 2113 Abs. 2 BGB unterlaufen werden könnte.
Rz. 281
Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Behandlung von teilweise unentgeltlichen Verfügungen (gemischten Schenkungen). Die Unwirksamkeit erfasst hier nach der Rechtsprechung des BGH die gesamte Verfügung, also auch den entgeltlichen Teil. Der Nacherbe hat dann die Wahl: Er kann entweder einen Schadensersatzanspruch gegen den Vorerben geltend machen oder einen Herausgabeanspruch gegenüber dem beschenkten Dritten (siehe Rdn 311 ff.).
Rz. 282
Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten stellen eine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB dar. Das Gleiche gilt für Zuwendungen unter Lebenspartnern.
Rz. 283
Die Zustimmung eines Gesellschafter-Vorerben zur Änderung eines Gesellschaftsvertrages kann eine unentgeltliche Verfügung über den Gesellschaftsanteil darstellen, wenn dadurch in die Mitgliedschaftsrechte der Vorerben eingegriffen wird. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ist nur dann entgeltlich, wenn entweder auch die Mitgliedschaftsrechte der übrigen Gesellschafter in gleicher Weise betroffen oder die übrigen Gesellschafter nur im Falle der Abänderung des Gesellschaftsvertrages zu Investitionen bereit sind.
Rz. 284
Schließlich kann das freiwillige Ausscheiden des Vorerben aus einer Personengesellschaft eine teilweise unentgeltliche Verfügung darstellen, wenn der Abfindungsanspruch objektiv nicht vollwertig ist. Dies ist dann der Fall, wenn wesentliche Vermögensbestandteile der Gesellschaft – stille Reserven, Goodwill, schwebende Geschäfte – in die Abrechnung nicht einbezogen worden sind.
Rz. 285
Rechtsgrundlose Verfügungen werden den unentgeltlichen Verfügungen gleichgestellt.
Rz. 286
Zum Nachweis der Entgeltlichkeit als Voraussetzung für die Löschung eines Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) im Grundbuch: Rdn 58 ff.
Rz. 287
Umstritten ist, ob die Vornahme der unentgeltlichen Verfügung in Benachteiligungsabsicht erfolgen muss oder schuldhaftes Verhalten ausreichend ist. Der BGH hat in einer älteren Entscheidung ein Handeln des Vorerben in Benachteiligungsabsicht gefordert. Dem ist die Literatur unter Hinweis auf die eindeutige Formulierung des Gesetzestextes, der eine Benachteiligungsabsicht nur in der 2. Alternative des § 2138 Abs. 2 BGB (arglistige Verminderung der Erbschaft) vorsieht, entgegengetreten.
Rz. 288
Als weitere Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 2113 BGB muss die Verfügung des Vorerben zu einer Beeinträchtigung oder Vereitelung der Rechtsstellung des Nacherben geführt haben. Diese liegt bei unentgeltlichen Verfügungen regelmäßig in dem Verlust des weggegebenen Gegenstandes. Bei einer gemischten Schenkung liegt die Beeinträchtigung lediglich in der Differenz, um welche die Gegenleistung wertmäßig hinter dem weggegebenen Nachlassgegenstand zurückbleibt.
Rz. 289
Streitig ist, ob der Erblasser den Vorerben mittelbar von der Schadensersatzpflicht befreien kann, indem er den Nacherben entweder mit einem Vermächtnis ("Zustimmungsvermächtnis"), Schenkungen des Vorerben zu genehmigen, beschwert oder in einem Befreiungs- oder Freistellungsvermächtnis dem Nacherben auferlegt, den Vorerben von den zwingenden gesetzlichen Verpflichtungen und Schadensersatzansprüchen freizustellen. Die Gegenmeinung sieht hierin einen Systembruch, mit dem die zwingenden Grenzen des § 2136 BGB contra legem verschoben werden.
Der Nacherbe kann Schadensersatz verlangen, ohne zuvor die gegenüber Dr...