aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 189
Das erste Sicherungsmittel, welches das Gesetz dem Nacherben an die Hand gibt, ist das Verlangen einer Sicherheitsleistung nach § 2128 Abs. 1 BGB. Geschützt wird das Recht des Nacherben auf Herausgabe der Erbschaft im Zustand einer fortgesetzt ordnungsgemäßen Verwaltung, § 2130 BGB.
Rz. 190
Hinweis
Befreiungsmöglichkeit: Der Erblasser kann den Vorerben von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nach § 2128 Abs. 1 BGB befreien, vgl. § 2136 BGB.
Rz. 191
Voraussetzung für den Anspruch ist die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben entweder durch ein gefährdendes Verhalten (1) oder durch eine ungünstige Vermögenslage (2) des Vorerben:
Rz. 192
(1) Ein gefährdendes Verhalten liegt insbesondere in einer Verletzung der den Vorerben treffenden gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen. Insoweit können die zu § 2127 BGB gebildeten Fallgruppen herangezogen werden:
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Eigenmächtige Vornahme von Verfügungen, die bei Eintritt der Nacherbfolge nach § 2113 BGB unwirksam werden; |
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Einziehung einer Hypothekenforderung, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld entgegen den Beschränkungen in § 2114 BGB; |
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Verstoß gegen die Pflichten im Zusammenhang mit der Verwaltung von Wertpapieren und Geld, §§ 2116–2119 BGB; |
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Bestreiten der Rechte des Nacherben, insbesondere der Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung, wenn dies den Schluss nahelegt, der Vorerbe werde bei der Nachlassverwaltung keine Rücksicht auf die Rechte des Nacherben nehmen; |
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Bestreiten der Zugehörigkeit von Surrogaten (§ 2111 BGB) zum Nachlass, bspw. durch Zurechnung zum Eigenvermögen des Vorerben. |
Rz. 193
Hinweis
Parallel zu dem Verlangen nach Sicherheitsleistung besteht auch ein Anspruch auf Einhaltung der verletzten Norm. Der Nacherbe kann deshalb bspw. die mündelsichere Anlage von Geld (§ 2119 BGB) verlangen.
Rz. 194
Daneben wird die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben in weiteren Konstellationen nahe liegen:
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Bei dem Versuch des Vorerben, sich der Erteilung eines Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB zu entziehen, obwohl die Aufstellung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würde. |
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Bei unrichtigen Angaben in einem Nachlassverzeichnis. Unerheblich ist es dabei, ob der Vorerbe zur Mitteilung des konkreten Umstands verpflichtet war. |
Rz. 195
Beispiel
Falsche Angaben zu Nachlassverbindlichkeiten, obwohl deren Mitteilung im Rahmen eines Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB nicht verlangt werden kann.
Rz. 196
Das beanstandete Verhalten muss nach überwiegender Meinung – im Gegensatz zu § 2127 BGB – keine Pflichtverletzung gegenüber dem Nacherben darstellen, ein Verschulden des Vorerben ist ebenfalls nicht erforderlich. Deshalb kann auch eine allgemein schlechte Verwaltung des eigenen Vermögens durch den Vorerben für die Bejahung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung ausreichen.
Rz. 197
Eine Verletzung der Rechte des Nacherben ist schließlich dann erheblich i.S.d. § 2128 Abs. 1 BGB, wenn sie sich auf nicht ganz unwesentliche Teile der Erbschaft bezieht. Ausreichend ist die Gefahr einer künftigen Verletzung. Soweit eine Maßnahme zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich und der Nacherbe nach § 2120 BGB zur Zustimmung verpflichtet ist, können dessen Rechte nicht verletzt werden (vgl. Rdn 56 ff.).
Rz. 198
(2) Eine ungünstige Vermögenslage – Beispiel: hohe Verschuldung – des Vorerben begründet insbesondere dann die Besorgnis einer Verletzung der Rechte des Nacherben,
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wenn Zwangsverfügungen der Eigengläubiger des Vorerben zu erwarten sind. Der Vorerbe kann den Nacherben in diesem Zusammenhang nicht auf die Rechte aus § 2115 BGB verweisen; |
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wenn das Vermögen des Vorerben nicht ausreicht, um dem Grunde nach bereits entstandene Ersatzansprüche des Nacherben zu decken. |
Auch hier kommt es auf ein Verschulden des Vorerben – etwa im Sinne einer vorwerfbaren Misswirtschaft – nicht an. Es ist zudem unerheblich, ob die ungünstige Vermögenslage bereits bei Anfall der Vorerbschaft gegeben war oder erst später eingetreten ist.
Rz. 199
Mehrere Nacherben können den Anspruch auf Sicherheitsleistung unabhängig voneinander geltend machen. Ist ein Nacherben-Testamentsvollstrecker bestellt, so kann nur dieser den Anspruch wahrnehmen. Demgegenüber kann der Ersatznacherbe vor Eintritt des Ersatzfalls keine Sicherheitsleistung verlangen.
Rz. 200
Die Pflicht zur Sicherheitsleistung ist eine persönliche Schuld des Vorerben. Er ist deshalb verpflichtet, wenn die Mittel der Vorerbschaft nicht zur Sicherheitsleistung ausreichen, auch sein Eigenvermögen einzusetzen. Unter den in § 232 BGB aufgeführten Sicherungsmitteln hat der Vorerbe die Wahl. Erst in der Zwangsvollstreckung geht das Wahlrecht auf den Nacherben über.
Zur Höhe der Sicherheitsleistung: Sicherheit kann regelmäßig in Höhe des Wertes des gesamten Nachlasses verlangt werden. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn im Einzelfall ein geringerer Schaden droht oder nur ein Teil der Erbschaft gefährdet ist, weil der Vorerbe über T...