I. Allgemeines
Rz. 118
Mit dem Eintritt des Erbfalls ist der Nacherbe zwar noch nicht Erbe geworden. Seine Rechtsstellung ist jedoch bereits so weit erstarkt, dass ihm ein Anwartschaftsrecht zugebilligt wird. Dieses genießt als absolutes Recht den deliktischen Schutz des § 823 Abs. 1 BGB.
Rz. 119
Das Anwartschaftsrecht kann veräußert und vererbt (§ 2108 Abs. 2 BGB) werden, soweit der Erblasser im Einzelfall die Übertragbarkeit oder die Vererblichkeit nicht ausgeschlossen hat. Die Verfügung über das Anwartschaftsrecht bedarf in analoger Anwendung des § 2033 BGB der notariellen Beurkundung. Das zugrunde liegende schuldrechtliche Geschäft ist in analoger Anwendung der §§ 2371, 2385 BGB ebenfalls formbedürftig.
Der Erwerber tritt voll in die Rechtsstellung des Nacherben ein. Er wird zwar nicht Erbe, gleichwohl fällt der Nachlass dem Erwerber mit Eintritt des Nacherbfalls ohne Durchgangserwerb bei dem vom Erblasser bestimmten Nacherben an.
Rz. 120
Überträgt der Nacherbe die Anwartschaft auf den Vorerben, so wird dieser von den Beschränkungen der Nacherbschaft befreit. Vollerbe wird er nur, wenn keine Ersatznacherbfolge angeordnet ist. Insbesondere in einem "Verzicht" des Nacherben auf seine Rechte zugunsten des Vorerben wird häufig eine Übertragung der Anwartschaft zu sehen sein. Auch in diesem Fall ist aber ein Vertrag zwischen Vor- und Nacherben erforderlich, der den Vorschriften der §§ 2033, 2371, 2385 BGB entsprechen muss. Ein einseitiger oder formloser Verzicht des Nacherben zugunsten des Vorerben ist unwirksam.
Rz. 121
Die Sicherung des Nacherben während der Zeit der Vorerbschaft erfolgt zum einen im Innenverhältnis zum Vorerben mit schuldrechtlichen Mitteln durch Kontroll- und Aufsichtsrechte – von der Auskunft über Sicherungsmaßnahmen bis hin zur Entziehung der Verwaltung –, zum anderen im Außenverhältnis durch die Verfügungsbeschränkungen nach §§ 2113 ff. BGB.
Rz. 122
Die Wahrnehmung der Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben kann auch auf einen Testamentsvollstrecker – den Nacherben-Testamentsvollstrecker gem. § 2222 BGB – übertragen werden.
Zur streitigen Frage, ob der alleinige Vorerbe als Nacherbentestamentsvollstrecker eingesetzt werden kann, vgl. Rdn 30.
II. Rechtsstellung des Nacherben während der Zeit der Vorerbschaft
1. Erstellung eines Nachlassverzeichnisses
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 123
Der Nacherbe kann von dem Vorerben die Erstellung eines Verzeichnisses der vorhandenen Nachlassgegenstände verlangen, § 2121 Abs. 1 BGB. Damit soll ein Beweismittel geschaffen werden, das nach dem Eintritt des Nacherbfalls die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben erleichtert.
Eine Befreiung des Vorerben von dieser Verpflichtung ist nicht möglich, vgl. § 2136 BGB.
Rz. 124
Anspruchsinhaber ist der Nacherbe. Sind mehrere Nacherben vorhanden, können sie den Anspruch unabhängig voneinander, auch gegen den Willen der anderen Nacherben, geltend machen. Ist ein Nacherben-Testamentsvollstrecker bestellt, kann das Recht aus § 2121 BGB nur von diesem, nicht von den Nacherben, geltend gemacht werden. Der Testamentsvollstrecker seinerseits muss den Nacherben so unterrichten, wie wenn dieser selbst den Anspruch aus § 2121 BGB geltend gemacht hätte. Dem Ersatznacherben steht hingegen vor Eintritt des Ersatzfalls der Anspruch nicht zu.
Rz. 125
Die Verpflichtung trifft den Vorerben. Bilden mehrere Vorerben eine Erbengemeinschaft, so müssen sie das Verzeichnis gemeinsam erstellen.
Rz. 126
Weitergehende materielle Voraussetzungen für die Geltendmachung bestehen nicht. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass Grund zu der Annahme besteht, der Vorerbe habe Rechte des Nacherben verletzt. Insoweit unterscheidet sich der Anspruch auf Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses von dem Auskunftsanspruch nach § 2127 BGB.
Rz. 127
Das Nachlassverzeichnis muss schriftlich erstellt und vom Vorerben unter Angabe des Datums unterschrieben werden. Der Nacherbe kann verlangen, dass das Verzeichnis nach § 2121 Abs. 3 BGB amtlich aufgenommen und er nach § 2121 Abs. 2 BGB bei der Aufnahme hinzugezogen wird. Eine amtliche Aufnahme sollte jedenfalls dann erfolgen, wenn der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls der Tod des Vorerben ist, da hier die Klärung der Nachlasszugehörigkeit oftmals schwierig sein wird und Streit vorprogrammiert ist.
Rz. 128
Hinweis
Versucht der Vorerbe, sich der Erteilung des Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB zu entziehen, obwohl die Aufstellung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würde, oder legt er ein unrichtiges Verzeichnis vor, kann dies einen ...