1. Prozessführungsbefugnis
Rz. 40
Der Vorerbe ist uneingeschränkt für sämtliche den Nachlass betreffende Klagen aktiv und passiv prozessführungsbefugt. Dies gilt auch soweit er in seiner Verfügungsbefugnis nach §§ 2113 f. BGB beschränkt ist, denn die Prozessführung als solche stellt keine Verfügung über das streitbefangene Recht dar.
2. Eintritt des Nacherbfalls während des Prozesses
Rz. 41
Tritt der Nacherbfall während des Prozesses ein, so ist zu unterscheiden, ob der Vorerbe
▪ |
zur Verfügung über den Streitgegenstand befugt ist (vgl. Rdn 42) oder |
▪ |
zur Verfügung über den Streitgegenstand der Zustimmung des Nacherben bedarf (vgl. Rdn 43). |
a) Vorerbe ist zur Verfügung über den Streitgegenstand befugt
Rz. 42
Wenn der Vorerbe ohne Zustimmung des Nacherben über den der Nacherbfolge unterliegenden Streitgegenstand verfügen konnte, wird der Rechtsstreit zwischen dem Vorerben und dem Dritten nach §§ 242, 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Die Parteistellung geht auf den Nacherben über, dieser wird prozessual wie der Rechtsnachfolger des Vorerben behandelt. War der Vorerbe durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, tritt nach § 246 ZPO keine Unterbrechung ein, das Verfahren ist jedoch auf Antrag auszusetzen.
b) Vorerbe bedarf zur Verfügung über den Streitgegenstand der Zustimmung des Nacherben
Rz. 43
Führt demgegenüber der Vorerbe einen Aktivprozess über einen Streitgegenstand, über den er nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen konnte, entfällt seine Aktivlegitimation. Der Vorerbe kann, um eine Klageabweisung zu vermeiden, nur die einseitige Erledigung der Hauptsache erklären. Allerdings kann der Nacherbe die Prozessführung noch im Nachhinein – auch nach Eintritt des Nacherbfalls – genehmigen.
Wurde der Vorerbe mit einem Passivprozess überzogen, der einen Nachlassgegenstand betraf, über den er nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen konnte, scheidet ein gesetzlicher Übergang der Parteistellung ebenfalls aus. Das Verfahren kann hier fortgeführt werden, soweit der Vorerbe für Nachlassverbindlichkeiten nach § 2145 BGB weiter haftet. Andernfalls muss der Kläger die Hauptsache für erledigt erklären, um einer Klageabweisung zu entgehen.
3. Abgabe einer Willenserklärung
Rz. 44
Bei einer Klage gegen den Vorerben auf Abgabe einer Willenserklärung (§§ 894, 895 ZPO) ist zu beachten, dass eine Verurteilung nicht mehr bewirken kann als eine von dem Vorerben vorgenommene rechtsgeschäftliche Verfügung. Dies bedeutet, dass der Nacherbe nur dann ein Urteil gegen sich gelten lassen muss, wenn der Vorerbe insoweit ohne seine Zustimmung über den Streitgegenstand verfügen könnte. Der Nacherbe ist daher in den Fällen der §§ 2113, 2114 BGB nicht an das Urteil gebunden.
Rz. 45
Hinweis
Damit sich die Bindungswirkung auf den Nacherben erstreckt, muss dieser in den Fällen der §§ 2113, 2114 BGB mitverklagt werden. Vorerbe und Nacherbe sind in diesem Fall nur einfache Streitgenossen, weil die Klage denkbar nur gegen den Vorerben Erfolg hat. Die Klage gegen den Nacherben ist nur dann begründet, wenn der Nacherbe verpflichtet ist, der Verfügung zuzustimmen (§ 2120 BGB, vgl. Rdn 56).
4. Erstreckung der Rechtskraft auf den Nacherben
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 46
Ein gegen den Vorerben ergangenes Urteil wirkt nur unter den Voraussetzungen des § 326 ZPO gegen den Nacherben. § 325 ZPO greift nicht ein, da der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers, nicht aber des Vorerben ist.
§ 326 ZPO setzt zunächst voraus, dass das fragliche Urteil vor Eintritt des Nacherbfalls rechtskräftig geworden ist.
Rz. 47
Im Übrigen ist zu unterscheiden:
▪ |
Ist Streitgegenstand des Prozesses eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB), so wirkt nur ein dem Vorerben günstiges Urteil auch gegenüber dem Nacherben (§ 326 Abs. 1 Alt. 1 ZPO). |
▪ |
Betrifft das Urteil demgegenüber einen Nachlassgegenstand, so wirkt es stets für und gegen den Nacherben, wenn der Vorerbe ohne dessen Zustimmung über den Streitgegenstand verfügen konnte (§ 326 Abs. 2 ZPO). Soweit der Vorerbe nach §§ 2113 f. BGB in der Verfügung über den Streitgegenstand beschränkt ist, tritt die Rechtskrafterstreckung nur bei einem dem Nacherben günstigen Urteil ein (§ 326 Abs. 1 Alt. 2 ZPO). Ein teilweise günstiges, teilweise ungünstiges Urteil wirkt nur in seinem günstigen Teil auch gegenüber dem Nacherben. Voraussetzung ist allerdings, dass der Streitgegenstand teilbar ist, mithin über den günstigen Teil ein Teilurteil hätte ergehen können. |
Rz. 48
Soweit eine Entscheidung auch gegen den Nacherben wirkt, erteilt das Vollstreckungsgericht aufgrund der §§ 728 Abs. 1, 727 ZPO eine entsprechende Vollstreckungsklausel.
Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 724 Abs. 2 ZPO), im Mahnverfahren das Gericht, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat.
Der Nachweis sämtlicher Voraussetzungen für die Klauselerteilung ist...