Rz. 311
Die unentgeltliche Verfügung des Vorerben über Mittel der Erbschaft stellt einen Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 BGB dar, soweit es sich nicht um eine Anstandsschenkung handelt oder die Maßnahme ausnahmsweise einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Mit dem Eintritt des Nacherbfalls ist eine solche Verfügung absolut unwirksam. Zugunsten des Beschenkten kann jedoch der Gutglaubensschutz nach § 2113 Abs. 3 BGB eingreifen.
1. Auskunft über die Schenkungen des Vorerben
Rz. 312
Die Durchsetzung eines Herausgabe- oder Bereicherungsanspruchs gegen den Beschenkten stellt den Nacherben oftmals vor erhebliche Probleme. Insbesondere dann, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt, kann sich die Ermittlung der Person des Beschenkten sowie von Art und Umfang der Zuwendung schwierig gestalten.
Die Rechtsprechung gewährt deshalb dem Nacherben einen aus § 242 BGB abgeleiteten Auskunftsanspruch gegen den vom Vorerben Beschenkten, soweit dies nach den Umständen des Einzelfalls und einer Abwägung der Interessen von Nacherben und Beschenkten gerechtfertigt ist.
Rz. 313
Folgende Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch sind zu beachten:
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Der Vorerbe bzw. dessen Erben dürfen nicht in der Lage sein, die Auskunft selbst zu erteilen (der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB ist subsidiär gegenüber einem Anspruch aus § 2130 Abs. 2 bzw. §§ 2130, 260 BGB). Hauptanwendungsfall: Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des Vorerben ein. |
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Der Nacherbe muss gewisse Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Zuwendung darlegen, denn das Auskunftsverlangen darf keine unzumutbare Ausforschung des Dritten darstellen. Ausreichend hierfür ist, dass zwischen dem Dritten und dem Vorerben Beziehungen bestanden haben, "die nach den gegebenen besonderen Umständen" die Vermutung einer unentgeltlichen Zuwendung aus dem Nachlass nahelegen. |
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Der Dritte muss in zumutbarer Weise zur Auskunftserteilung in der Lage sein. |
Rz. 314
Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auf alles, was der Beschenkte durch Verfügungen jeglicher Art von dem Vorerben erlangt hat.
2. Herausgabe des Geschenkes/Grundbuchberichtigung
Rz. 315
Die Unwirksamkeit einer unentgeltlichen Verfügung des Vorerben über Nachlassgegenstände wirkt absolut, also gegenüber jedermann. Sie ist aufschiebend bedingt und tritt mit dem Nacherbfall ein. Der Nacherbe kann deshalb als wahrer Eigentümer von dem Beschenkten die Herausgabe des betreffenden Nachlassgegenstandes nach § 985 BGB bzw. die Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB verlangen.
Rz. 316
Jedoch kommt auch bei unentgeltlichen Zuwendungen ein gutgläubiger Erwerb des Beschenkten nach § 2113 Abs. 3 i.V.m. § 892 bzw. §§ 932 ff. BGB in Betracht.
Der gute Glaube kann zum einen auf der Unkenntnis beruhen, dass der veräußerte Gegenstand durch Nacherbfolge gebunden ist, zum anderen auf der irrtümlichen Annahme einer Befreiung des Vorerben (die gem. § 51 GBO ebenfalls in das Grundbuch einzutragen ist). Der gute Glaube ersetzt die fehlende Verfügungsbefugnis des Vorerben.
Rz. 317
Bei beweglichen Sachen verhindert eine grob fahrlässige Unkenntnis der Nacherbenbindung einen gutgläubigen Erwerb (§ 932 Abs. 2 BGB). Wurde hingegen ein Erbschein erteilt, der die Anordnung der Nacherbfolge nicht enthält oder zu Unrecht einen Gegenstand von der Nacherbfolge ausnimmt, so schadet nur Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins bzw. von der Rückforderung durch das Nachlassgericht. Insoweit sind die Gutglaubensregelungen der §§ 2365–2367 BGB unmittelbar anwendbar.
Rz. 318
Bei Verfügungen über Grundstücke und Rechten an Grundstücken ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, wenn sich die Verfügungsbeschränkung aus einem im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) ergibt. Erwirbt der Dritte das Grundstück ohne Voreintragung des Vorerben (§§ 40 Abs. 1, 35 GBO), so kann der Gutglaubensschutz des Erbscheins eingreifen. Dem Nachweis der Erbfolge durch eine in einer öffentlichen Urkunde errichtete Verfügung von Todes wegen (§ 35 GBO) allein kommt jedoch kein öffentlicher Glaube zu.
Rz. 319
Ein gutgläubiger Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch den Dritten scheitert an dem Fehlen einer Gutglaubensvorschrift für Verfügungen über Forderungen und ähnliche Rechte (§§ 398, 413 BGB, § 15 GmbHG).
Rz. 320
Wird der Beschenkte aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs Eigentümer des Nachlassgegenstandes, so ist er – schuldrechtlich – dem Nacherben gegenüber gleichwohl nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zur Herausgabe verpflichtet.
Rz. 321
Hinweis
Der Beschenkte kann für auf den Erbschaftsgegenstand getätigte Verwendungen unter den Voraussetzungen der §§ 987 ff. BGB Ersatz verlangen. Ihm steht insoweit ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274 BGB) zu.
Rz. 322
Bei einer gemischten Schenkung kann der Nacherbe die Herausgabe ebenfalls nur Zug um Zug gegen Rückgewähr der von dem Dritten erbrachten Gegenleist...