Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 45
Ist die Androhung von Ordnungsmitteln bei der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung in einem gerichtlichen Titel nicht enthalten oder konnte sie – wie bei einem Prozessvergleich – nicht in den Vollstreckungstitel aufgenommen werden, so muss und kann diese nachträglich isoliert beantragt werden. Da die Androhung Voraussetzung der Festsetzung des Ordnungsmittels nach einem Verstoß gegen die Unterlassungs- oder Duldungspflicht ist, muss dies unverzüglich geschehen.
Rz. 46
Hinweis
Ein Verzicht des Schuldners auf die Androhung ist grundsätzlich nicht möglich.
Rz. 47
Zuständig für die Entscheidung ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges, d.h. das erstinstanzliche Gericht, vor dem oder in dessen Rechtszug der zu vollstreckende Titel geschaffen wurde.
Rz. 48
Ist die Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung in einer notariellen Urkunde enthalten, ist die Zuständigkeit umstritten. Nach einer Auffassung ist das Prozessgericht zuständig, dass in der Hauptsache für die Titulierung zuständig gewesen wäre, in der Regel also das Amts- oder Landgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners. Nach anderer Auffassung ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Notar seinen Sitz hat.
Rz. 49
Tipp
In der Praxis sollte der Gläubiger das für ihn günstigere Gericht wählen und hilfsweise einen Verweisungsantrag stellen. Eine wesentliche Bedeutung kommt dem nicht zu, da das Verfahren schriftlich geführt wird. Entscheidender ist für den Gläubiger, dass die Streitfrage nicht zur Verzögerung der Androhung führt, da dies für ihn Rechtsnachteile mit sich bringt. Vom Bevollmächtigten des Schuldners ist deshalb zu erwarten, dass er die Zuständigkeitsrüge erhebt.
Rz. 50
Der Antrag unterliegt unter den Voraussetzungen des § 78 ZPO dem Anwaltszwang. Der Schuldner ist nach § 891 ZPO zum Androhungsantrag des Gläubigers – schriftlich – zu hören. Auch der Schuldner bedarf nach § 78 ZPO dabei der anwaltlichen Vertretung.
Rz. 51
Der Antrag setzt nicht voraus, dass eine Zuwiderhandlung gegen die begründete Verpflichtung unmittelbar bevorsteht oder sonst droht. Vielmehr ist es allein ausreichend, dass ein entsprechender Vollstreckungstitel vorliegt und eine Zuwiderhandlung gegen die Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung noch möglich ist. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass es zu sanktionslosen Zuwiderhandlungen käme, was einem effektiven Rechtsschutz – Art. 19 Abs. 4 GG – entgegenstünde. Allerdings müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach § 750 ZPO vorliegen, d.h. neben der Existenz eines Vollstreckungstitels muss dieser mit einer Vollstreckungsklausel versehen und zugestellt sein. Ggf. ist § 798 ZPO zu beachten.
Rz. 52
Der Antrag auf Anordnung des Ordnungsmittels kann die gesetzlichen Höchstrahmen für das Ordnungsgeld mit 250.000,00 EUR und von sechs Monaten für die Ordnungshaft im Einzelfall aufgreifen. Grundsätzlich sind die Ordnungsmittel alternativ anzudrohen, d.h. entweder Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft oder unmittelbar Ordnungshaft. Die kumulative Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft widerspricht dagegen dem Wortlaut des § 890 Abs. 2 ZPO, ist aber nach Ansicht des BGH als Voraussetzung für die Festsetzung von Ordnungsmitteln wirksam.
Rz. 53
Hinweis
Da zum Zeitpunkt der Androhung nicht schon immer verlässlich bestimmt werden kann, welches Ordnungsmittel bei einem Verstoß gegen die titulierte Verpflichtung angemessen ist, sollte der Gläubiger beantragen, beide Ordnungsmittel – in Ausnutzung der Entscheidung des BGH – anzudrohen. Es kann dann lediglich nicht ausgeschlossen werden, dass das Prozessgericht sich in der Androhung auf ein Ordnungsmittel beschränkt. In der Praxis bereitet dies heute keine Schwierigkeiten mehr.
Rz. 54
Eine gestaffelte und damit mehrfache gesteigerte Androhung bei Zuwiderhandlungen ist nicht erforderlich. Unzulässig ist allerdings eine Formulierung, wonach Ordnungsmittel "in gesetzlicher Höhe" angedroht werden, da dies dem Schuldner den Sanktionsrahmen nicht hinreichend deutlich macht. Grundsätzlich möglich ist es allerdings, einen niedrigeren Rahmen der Ordnungsmittel anzudrohen.
Rz. 55
Tipp
Wählt der Gläubiger einen niedrigeren Rahmen, so darf das Gericht über diesen in der Androhung wegen § 308 ZPO zunächst nicht hinausgehen. Da nach § 890 Abs. 2 ZPO nur ein angedrohtes Ordnungsmittel auch tatsächlich festgesetzt werden darf, kann dieser Rahmen dann auch bei wiederholten Zuwiderhandlungen und der damit begründeten Steigerung der Höhe des Ordnungsgeldes bzw. des Umfangs der Ordnungshaft nicht überschritten werden. Vielmehr wäre eine erneute – erweiterte – Androhung erforderlich. Aus diesem Grunde sollte der Gläubiger immer den gesetzlichen Höchstrahmen von 250.000,00 EUR bzw. zwei Jahren Ordnungshaft wählen.
Rz. 56
Wird dagegen der gesetzliche Höchstrahmen irrtümlich überschritten, so macht dies die Androhung nicht unwirksam. Die Festsetzung kann allerdings nur innerhalb des gesetzlichen Höchstrahme...