Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 116
Das Gericht hat den Schuldner grundsätzlich nach § 891 ZPO zum Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Ordnungsmittels zu hören. Da weder § 891 ZPO noch § 78 ZPO hier eine Ausnahme vorsehen, gilt auch für den Schuldner der Anwaltszwang nach § 78 ZPO für seine Stellungnahme im Rahmen der Anhörung nach § 891 ZPO.
Rz. 117
Checkliste: Einwendungen gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes
Der Schuldner kann sich dann zunächst mit den Einwänden zur Wehr setzen, dass:
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die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vorliegen; |
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die sich aus dem Titel ergebende Unterlassungs- oder Duldungspflicht nicht hinreichend bestimmt sei; |
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die gerügte Handlung keine Zuwiderhandlung gegen das im Titel verbriefte Unterlassungs- oder Duldungsgebot darstelle; |
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keine schuldhafte Zuwiderhandlung vorliege, was auch dann der Fall sein kann, wenn die Erfüllung unmöglich geworden ist; |
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zum Zeitpunkt der Vollstreckung des Ordnungsmittels kein Titel mehr vorliegt. |
Rz. 118
Umstritten ist dagegen, ob, und wenn ja, welche materiell-rechtlichen Einwendungen der Schuldner mit seiner Stellungnahme nach § 891 ZPO erheben kann, sodass diese Berücksichtigung finden.
Rz. 119
Hinweis
Grundsätzlich gilt, dass materiell-rechtliche Einwendungen nur mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erhoben werden können. Bei der Vollstreckung der Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung nach § 890 ZPO ergibt sich aber die Besonderheit, dass hier ebenso wie bei der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO das Prozessgericht erster Instanz zuständig ist, sodass prozessökonomische Gründe für eine Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwände schon im Vollstreckungsverfahren sprechen.
Rz. 120
Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass die materiell-rechtlichen Einwendungen allein im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen sind. Die entgegenstehende Auffassung lässt aus den beschriebenen prozessökonomischen Gründen die Einwendung auch im Verfahren nach § 890 ZPO zu.
Rz. 121
Hinweis
Der BGH hat im Verfahren nach § 887 ZPO den Erfüllungseinwand als materiell-rechtliche Einwendung ausdrücklich zugelassen (ausführlich hierzu siehe § 13). Eine Vollstreckungsgegenklage müsse nicht gesondert erhoben werden. Zumindest soweit Duldungstitel betroffen sind, wird diese Entscheidung auf die Anwendungsfälle des § 890 ZPO zu übertragen sein. Eine ausdrückliche Entscheidung des BGH zum Fall des § 890 ZPO fehlt allerdings weiterhin.
Rz. 122
Tipp
Soweit der Schuldner also weder geltend macht, dass eine Zuwiderhandlung gegen den titulierten Duldungs- oder Unterlassungsanspruch nicht vorliegt, noch dass er den Duldungsanspruch erfüllt hat, muss er auf dem ihm nach § 891 ZPO zur Anhörung übersandten Antrag beim Prozessgericht des ersten Rechtszuges Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (Muster siehe § 16) erheben und zugleich einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO (Muster siehe § 16) stellen, wenn er nicht davon ausgeht, dass die Entscheidung des BGH übertragbar ist.
Rz. 123
Keine Auswirkungen hat die Frage auch auf die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der materiell-rechtlichen Einwendung. Unabhängig von der Frage, ob der Einwand nach § 890 ZPO unmittelbar zugelassen wird oder es der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO bedarf, muss der Schuldner die materiell-rechtlichen Einwendung, die der Vollstreckung durch den Gläubiger entgegenstehen stehen soll, darlegen und im Falle des Bestreitens auch beweisen.