Rz. 57
Ebenso wie der Erwerbsschaden ist auch der Unterhaltsschaden grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente auszugleichen. Nach § 844 Abs. 2 S. 1, Hs. 2 BGB sind die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 BGB entsprechend anzuwenden; statt der Rente kann daher ausnahmsweise auch eine Kapitalabfindung in Betracht kommen (dazu oben § 13 Rdn 247 ff.). Für den Kapitalisierungsfaktor sind bei entgangenem Unterhalt infolge des Unfalltodes einer Ehefrau die Tabellen für lebenslängliche verbundene Renten heranzuziehen, weil der vom Ehemann geltend gemachte Unterhaltsschaden nicht nur durch seine eigene statistische Lebenserwartung, sondern auch durch die durchschnittliche Lebenserwartung seiner verstorbenen Ehefrau begrenzt wird und es angezeigt sein kann, einen Zinssatz von 5 % zugrunde zu legen. Das zur Berechnung des Barunterhaltsschadens zu berücksichtigende künftige Einkommen aus Rentenbezügen und öffentlichen Zusatzversorgungen kann gem. § 287 ZPO auf der Grundlage vorläufiger Rentenberechnungen des/der Versorgungsträger geschätzt werden.
Rz. 58
Für die Höhe des Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB kommt es allein auf den gesetzlich geschuldeten und nicht auf den tatsächlich gewährten Unterhalt des Getöteten an. Eine über die gesetzlich geschuldete Unterhaltspflicht hinausgehende ("überobligationsmäßig") tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistung ist im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB nicht zu ersetzen. Beim Barunterhalt besteht meist kein wesentlicher Unterschied zwischen dem gesetzlich geschuldeten und dem tatsächlich geleisteten Unterhalt, wenn der alleinige Barunterhaltspflichtige die Familie nach seinen finanziellen Möglichkeiten unterhält. Weniger eindeutig kann die Sachlage z.B. sein, wenn beide Eheleute barunterhaltspflichtig sind, aber nur einer von ihnen tatsächlich den Barunterhalt leistet. Regelmäßig wird sich in derartigen Fällen der Anteil am Barunterhalt nach dem Verhältnis des Erwerbseinkommens der Eltern, der Anteil am Naturalunterhalt im umgekehrten Verhältnis dazu bewerten lassen, doch kann die Fallgestaltung eine andere Verteilung nahelegen. Im Ergebnis sind allerdings beide Eltern am Unterhalt-Gesamtaufwand (Bar- und Naturalunterhalt) prinzipiell zu gleichen Teilen beteiligt, so dass für jeden von ihnen in der Regel ein Mehr an Barunterhalt ein Weniger an Naturalunterhalt bedingt und umgekehrt. Diese Relation darf allerdings nicht rein schematisch erfolgen; vielmehr kann beispielsweise der Mutter trotz Berufstätigkeit mit gleichem Zeitaufwand wie diejenige des Vaters ein höherer Anteil am Naturalunterhalt zufallen (insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern), wie umgekehrt ein höheres Einkommen des Vaters bei gleichem Zeitaufwand der Mutter für ihre Berufstätigkeit nicht von vornherein zu einer genau entsprechenden höheren Beteiligung am Naturalunterhalt verpflichtet.
Rz. 59
Primär obliegt es den Ehegatten, die Aufteilung der Pflichten nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten des einzelnen Partners zu regeln, wobei allerdings ein offensichtliches Missverhältnis eine Korrektur durch die Wertung als überobligationsmäßig erlaubt. Unter Umständen kann es gerechtfertigt sein, dass der Schädiger eine Gestaltung der Lebensverhältnisse hinnehmen muss, bei der der geschiedene, allein sorgeberechtigte Vater es übernommen hatte, den Bar- und Naturalunterhalt des Kindes allein zu tragen und die Mutter insoweit von Ansprüchen des Kindes freizustellen, sodass das Kind beim unfallbedingten Tod des Vaters nicht auf die Unterhaltsansprüche gegen die Mutter verwiesen werden kann. Hinsichtlich des Natural-(Betreuungs-)Unterhalts bestehen zwischen rechtlich geschuldeter und tatsächlicher Leistungserbringung oft große Unterschiede, insbesondere bei der Entlastung der Hausfrau durch Mithilfe des Ehemannes und der Kinder im Haushalt. Hier ist darauf zu achten, dass bei der Ermittlung des Ersatzanspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB auf die rechtlich geschuldete Mitwirkung abgestellt wird.
Rz. 60
Die gemäß § 844 Abs. 2 BGB geschuldete Rente ist im Rahmen der §§ 850b, 850f ZPO nur bedingt pfändbar. Der Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB ist kein Unterhaltsanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch, so dass für die Vollstreckung § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO nicht gilt. Das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB in Verbindung mit § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt auch zugunsten von Trägern öffentlicher Sozialleistungen, wenn der Sozialleistungsträger an den Unterhaltsberechtigten Leistungen der Sozialhilfe oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbringt und der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs. 1 SGB XII bzw. nach § 33 Abs. 1 SGB II im Wege der Legalzession auf ihn übergeht.