Rz. 61
a) Die Frage der Bedürftigkeit spielt keine entscheidende Rolle im Rahmen der gegenseitigen Unterhaltspflicht in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatten. Gemäß §§ 1360, 1360a BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, ihre Arbeitskraft und ihr Vermögen für den angemessenen Unterhalt der Familie einzusetzen, um die Haushaltskosten, die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der Kinder zu sichern; dabei müssen beide Ehegatten grundsätzlich nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten zum Familienunterhalt beitragen, gleichgültig ob, weshalb und in welchem Umfang der eine Ehegatte mehr beisteuern kann als der andere. Da das Leitbild der Hausfrauenehe aufgegeben ist, vielmehr beide Ehegatten in gleicher Weise berechtigt sind, berufs- und erwerbstätig zu sein (§ 1356 Abs. 2 BGB) und es ihnen überlassen ist, die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln (§ 1356 Abs. 1 BGB), können die Unterhaltsleistungen in gleichberechtigter Weise durch die Arbeiten zur Haushaltsführung oder durch finanzielle Leistungen (Einkünfte aus Berufstätigkeit) erbracht werden; der Familienunterhalt setzt sich dementsprechend aus dem Barunterhalt und dem durch Haushaltsführung geleisteten Unterhalt zusammen. Beim Barunterhalt kommt es insbesondere auf die Einkommensverhältnisse des Barunterhaltspflichtigen an. Beim Natural- oder Betreuungsunterhalt sind insbesondere die Lebensumstände und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und der unterhaltsberechtigten Kinder von Bedeutung. Dabei sind die gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Nach § 1606 Abs. 2 S. 2 BGB erfüllt z.B. der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Nach den Verhältnissen der Ehegatten beurteilt sich z.B. auch, ob und in welchem Umfang im Rahmen einer Haushaltsführungsehe der Ehemann zur Mitarbeit im Haushalt verpflichtet ist.
Rz. 62
b) Die Ehegatten haben die Rollenverteilung im ehelichen Leben in eigener Verantwortung vorzunehmen; sie können in diesem Rahmen auch die Art und Weise der gegenseitigen Unterhaltsgewährung in Ausfüllung der gesetzlichen Vorgaben strukturieren. Insbesondere können sie die Haushaltsführung untereinander im Wege einer solchen Einvernehmensregelung verteilen, wobei die "Regelung" meist nicht ausdrücklich erfolgt, sondern dem faktischen Verhalten zu entnehmen ist. Haftungsrechtlich wäre eine solche Einvernehmensregelung nur dann nicht mehr anzuerkennen, wenn sie nicht mit dem Grundsatz der Angemessenheit im Sinne des § 1360a S. 1 BGB vereinbar ist. Ist letztere Ausnahme nicht gegeben, bleibt es auch im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB bei der Verbindlichkeit dieser Absprachen der Ehegatten über die Unterhaltsgewährung; es kommt dann nicht darauf an, was ohne die Absprache rechtlich gegolten hätte. Wichtig für die Berechnung des Unterhaltsschadens ist unter anderem, dass die Eheleute vereinbaren können, ob und in welchem Umfang das Einkommen für den Lebensunterhalt ausgegeben und zur Vermögensbildung verwendet werden soll. Auch der Umfang der Mitwirkung bei der Haushaltsführung kann einvernehmlich geregelt werden. Im Rahmen des Angemessenen ist eine freie Gestaltung möglich, die nicht nur unterhaltsrechtlich, sondern im Fall des Todes eines Ehegatten auch haftungsrechtlich verbindlich ist, also bei der Ermittlung des Unterhaltsschadens beachtet werden muss.
Rz. 63
Nach einer Scheidung wollen die Partner der neuen Ehe häufig die Unterhaltslasten aus der alten Ehe möglichst geringhalten; insoweit unterliegen ihre Vereinbarungen aber Einschränkungen. Der Ehegatte, der Unterhalt für minderjährige Kinder aus erster Ehe zu leisten hat, muss die Unterhaltsinteressen der Kinder bei seiner Lebensplanung berücksichtigen; ihnen gegenüber darf der Unterhaltspflichtige nicht absichtlich seine Leistungsfähigkeit reduzieren. Deshalb darf ein seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtiger Elternteil aus unterhaltsrechtlicher Sicht in einer neuen Ehe nur dann die Haushaltsführung und Kindesbetreuung übernehmen, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen.
Rz. 64
c) Die Ehegatten können weder allein durch ihr tatsächliches Verhalten noch durch die genannte Einvernehmensregelung den für § 844 Abs. 2 BGB maßgeblichen Umfang ihrer gesetzlichen Unterhaltspflichten erweitern. Es ist aber zu bedenken, dass das Maß des nach §§ 1360, 1360a BGB geschuldeten Familienunterhalts wesentlich von den Lebensumständen der Ehegatten abhängt, wobei nicht nur allein ihre wirtschaftliche und finanzielle, sondern auch ihre soziale und persönliche Lage, die sie entscheidend durch ihre eigene Lebensgestaltung prägen, von wesentlicher Bedeutung sind.
Rz. 65
d) Wird ein Ehepartner bei einem Unfall getötet und besteht gegen einen Unfallbeteiligten ein ...