Rz. 72
Da die Ehegatten in gleichberechtigter Weise durch finanzielle Leistungen und durch die Haushaltsführung (einschließlich Kinderbetreuung) zum Familienunterhalt beitragen, kann bei Tötung eines Ehepartners, je nachdem, wie die Rollen in der Familie verteilt waren und ob beide Partner einer Berufstätigkeit nachgingen, dem hinterbliebenen Ehegatten (und den Kindern) der Barunterhalt, der Betreuungsunterhalt oder ein Teil von beidem entgangen sein. Zunächst soll der Fall behandelt werden, in welchem den Hinterbliebenen der Barunterhalt durch Tötung des Alleinverdieners entzogen wurde.
I. Grundsätze für die Ermittlung des Barunterhaltsschadens
Rz. 73
Bei der Ermittlung des Barunterhaltsschadens kann grundsätzlich nach folgender Methode vorgegangen werden:
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Bestimmung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens unter Ausscheidung der Aufwendungen für Vermögensbildung; |
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Aussonderung der fixen Kosten des Haushalts; |
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Verteilung des verbleibenden Einkommens auf den Getöteten und die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen nach Quoten; |
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Erhöhung der danach auf die Hinterbliebenen entfallenden Beträge um die unter ihnen aufgeteilten fixen Kosten. |
Rz. 74
Soweit mangels hinreichender Überschaubarkeit der Berechnungsgrundlagen und ihrer künftigen Entwicklung die Erhebung einer bezifferten Rentenklage noch nicht möglich und die Schadensermittlung auch unter Berücksichtigung des § 287 ZPO noch nicht durchführbar erscheint, kommt ein Feststellungsbegehren in Betracht (dazu § 26 Rdn 69 ff.).
Rz. 75
Spätere, bei Geltendmachung eines bezifferten Anspruchs noch nicht voraussehbare Veränderungen vermögen eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu rechtfertigen (dazu § 26 Rdn 220 ff.).
II. Feststellung des Nettoeinkommens des Getöteten
Rz. 76
Demgemäß ist zunächst aus dem Bruttoeinkommen das Nettoeinkommen (bei der hier behandelten Fallgruppe dasjenige des getöteten Alleinverdieners) zu ermitteln, das nach Abzug der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge für Unterhaltszwecke zur Verfügung stand und voraussichtlich weiter zur Verfügung gestanden hätte. Hierbei ist in ähnlicher Weise wie bei der Ermittlung des im Rahmen des Erwerbsschadens relevanten Einkommens (dazu oben § 14 B) vorzugehen. Zu den maßgeblichen Einkünften können gehören sämtliche Einkünfte aus selbstständiger oder abhängiger Tätigkeit, bei abhängig Tätigen alle Lohn- oder Gehaltsbestandteile (z.B. Überstundenvergütung, Urlaubs-, Weihnachtsgeld) und Nebenverdienste, Renten, soweit diese grundsätzlich der Befriedigung des Unterhaltsbedarfs dienen, z.B. auch die Verletztenrente und die Grundrente, Erwerbsersatzeinkommen (z.B. Krankengeld, Arbeitslosengeld und -hilfe, Versorgungsbezüge), Vermögenserträgnisse, soweit sie zum Familienunterhalt verwendet wurden, und auch öffentlich-rechtliche Leistungen, wobei nicht ohne weiteres deren sozialpolitische Zweckbestimmung maßgebend ist; ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Einkünfte tatsächlich zur (teilweisen) Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen.
Rz. 77
Nicht zu berücksichtigen sind Aufwandsentschädigungen und Spesen (soweit nicht verschleiertes Einkommen), Einkünfte aus verbotener Schwarzarbeit, Wert der Eigenleistungen für einen Hausbau und das Kindergeld. Ausnahmsweise kann statt des Nettoeinkommens das Bruttoeinkommen (unter Abzug der Sozialabgaben) dann maßgeblich sein, wenn und solange das Finanzamt vom Arbeitseinkommen einbehaltene Steuerbeträge nach steuerrechtlichen Vorschriften zurückzuerstatten hatte und auch diese Beträge voll für den Familienunterhalt zur Verfügung standen.
Rz. 78
Abzuziehen sind Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, freiwillige Beiträge zu Versicherungen (z.B. Lebens-, Krankenzusatz-, Unfallversicherung), Gewerkschaftsbeiträge, Rücklagen fü...