I. Allgemeines
Rz. 203
§ 845 BGB findet im Rahmen der Verschuldenshaftung sowohl im Falle der Verletzung als auch im Falle der Tötung Anwendung. Der Ersatzanspruch wegen entgangener Dienste, wie er in § 845 BGB geregelt ist, besteht nur, wenn der Schädiger aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) haftet, nicht hingegen im Bereich der Gefährdungshaftungstatbestände (etwa § 7 StVG). Dort ist ein entsprechender Ersatzanspruch vielmehr bewusst ausgeschlossen. Die Vorschrift hat heute fast keine praktische Bedeutung mehr.
II. Haushaltsführung des Ehegatten (keine Dienstleistung)
Rz. 204
Die Haushaltstätigkeit eines Ehegatten fällt nicht unter § 845 BGB. Sie stellt eine eigenständige Leistung zum Familienunterhalt dar. Mit Urt. v. 9.7.1968 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes der Ehemann nicht mehr berechtigt ist, von dem verantwortlichen Schädiger Schadensersatz nach § 845 BGB wegen Behinderung der verletzten Ehefrau in der Haushaltsführung zu verlangen. Der Bundesgerichtshof hat ferner entschieden, dass der hinterbliebene Ehegatte einen Ersatzanspruch wegen der "Dienste", die ihm durch die Tötung seines Ehegatten entgangen sind, nicht auf § 845 BGB, sondern nur auf § 844 Abs. 2 BGB stützen kann und dass er daher einen Ersatzanspruch nur dann hat, wenn ihm die Mitarbeit des Ehegatten in seinem Beruf oder Geschäft als Unterhalt geschuldet war.
Rz. 205
Die Beeinträchtigung eines Ehegatten in der Haushaltsführung wird als Erwerbsschaden des verletzten Ehegatten selbst behandelt (dazu oben § 13 E). Auch wenn die Mitarbeit eines Ehegatten im Erwerbsgeschäft des anderen durch eine Körperverletzung ganz oder teilweise vereitelt wird, steht der Ersatzanspruch nur dem Verletzten selbst zu. Im Todesfall ist der Ausfall der Haushaltsführung des Getöteten bei der Berechnung des Naturalunterhaltschadens des hinterbliebenen Partners aus § 844 Abs. 2 BGB von Bedeutung (dazu Rdn 127 ff.).
III. Dienstleistungen von Kindern
Rz. 206
Die Vorschrift erfasst die gesetzliche Pflicht des Kindes, den Eltern in deren Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten (§ 1619 BGB). § 1618a BGB scheidet zur Begründung einer derartigen Verpflichtung aus. Ob die Mitarbeit des Kindes im Haushalt oder Erwerbsgeschäft der Eltern auf familienrechtlicher Grundlage erfolgt oder nicht, muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf den feststellbaren Willen der Beteiligten ermittelt werden.
Rz. 207
Der Schädiger hat dem Dienstleistungsberechtigten für die eingehenden Dienste Ersatz zu leisten. Die familienrechtliche Pflicht des Kindes, in Haus und Geschäft Dienstleistungen zu erbringen, besteht, solange das Kind dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird. Nach älterer Rechtsprechung ist dies selbst dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn ein Kind, obwohl bereits volljährig und verheiratet, noch im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitarbeitet. Die Dienstleistungspflicht endet, wenn das Kind aus dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis ausscheidet, insbesondere seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Erwerbstätigkeit einsetzt, oder wenn seine Mitarbeit nach dem Willen der Beteiligten auf eine eigene Rechtsgrundlage gestellt wird, insbesondere auf eine arbeits- oder gesellschaftsvertragliche Grundlage. Für eine Verpflichtung des noch im elterlichen Haushalt lebenden Kindes zu unentgeltlichen Dienstleistungen gem. § 1619 BGB ist dann kein Raum mehr, wenn das Kind seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Erwerbstätigkeit einsetzt.
Rz. 208
War das verletzte oder getötete Kind seinen Eltern dienst- oder arbeitsvertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet, erleidet es einen eigenen Verdienstausfallschaden; im Falle der Tötung des Kindes kommen allenfalls Ansprüche der Eltern aus § 844 Abs. 2 BGB in Betracht. Kein Anspruch aus § 845 BGB besteht z.B. auch, wenn die erwachsene Tochter zwar ihren Eltern täglich im Haushalt hilft, gelegentlich auch noch zuhause übernachtet und die Eltern ihr gelegentlich Geld zuwenden, wenn sie aber bereits ausgezogen ist und ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen selbst bestreitet. Die Ansicht des OLG Saarbrücken, wonach sowohl die Eltern Ansprüche aus § 845 BGB als auch das Kind Ansprüche aus §§ 842, 843 BGB nebeneinander geltend machen können, wenn ein bereits berufstätiger, aber noch im Hausstand der Eltern lebender Sohn nach § 1619 BGB verpflichtet ist, den Eltern Mithilfe in der Nebenerwerbslandwirtschaft zu leisten, erscheint zweifelhaft. Die Vorschrift des § 845 BGB darf nicht dazu führen, dass der Schädiger wegen des von ihm zu verantwortenden wirtschaftlichen Ausfalls doppelt, nämlich mit einem Ersatzanspruch...