Rz. 89
Die Verteilung des (nach Abzug der fixen Kosten) verbleibenden Nettoeinkommens auf die einzelnen Familienmitglieder (den Getöteten einerseits, die Hinterbliebenen andererseits) hat so zu erfolgen, dass sie dem Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen gegenüber dem Getöteten gerecht wird; jeder Anspruchsberechtigte im Sinne des § 844 Abs. 2 BGB kann den Betrag verlangen, den der Getötete aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen zur Erfüllung seiner ihm gegenüber bestehenden Unterhaltspflicht hätte aufwenden müssen.
Rz. 90
Um eine möglichst einheitliche, Rechtssicherheit gewährende praktikable Handhabung zu ermöglichen, hat die Rechtsprechung, obwohl an sich stets die konkreten Umstände des Einzelfalles für die Schadensberechnung maßgebend sind, eine Pauschalbemessung der Unterhaltsrente auf der Grundlage von Prozentsätzen des zur Unterhaltssicherung verfügbaren Einkommens des Getöteten gebilligt. Dabei kann sich der Richter, der zur Schadensschätzung im Rahmen des § 287 ZPO aufgerufen ist, auch an Quotentabellen ausrichten, wobei bei der außergerichtlichen Regulierung zur Vereinfachung evtl. auch ohne fixe Kosten, aber dann mit geänderten Quoten gerechnet werden kann.
Rz. 91
Bei der Ermittlung solcher prozentualer Quoten ist stets im Auge zu behalten, dass es hier nicht, wie in familienrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig, um die Berechnung von Unterhaltsansprüchen bei einer gestörten Familiensituation geht. Vielmehr ist der Getötete in der Regel aus einer intakten Familie herausgerissen worden; bei der Bemessung der Unterhaltsleistungen ist daher der Rationalisierungseffekt einer solchen intakten Familie zu bedenken: Die häusliche Gemeinschaft und das Zusammenwirken der Familienmitglieder ermöglicht teilweise die Befriedigung der Lebensbedürfnisse mit geringeren Mitteln. Daraus folgt insbesondere, dass der eigene Unterhaltsbedarf des Getöteten deutlich geringer angesetzt werden kann, als im Rahmen des Selbstbehalts, wenn Unterhaltsansprüche im Rahmen gestörter Familienverhältnisse (bei denen erhöhte Ausgaben durch zwei Wohnungen, doppelte Haushaltsführung etc. anfallen) zu bewerten sind. Die Orientierung an Tabellenwerken (wie etwa der Düsseldorfer Tabelle), die der familiengerichtlichen Rechtsprechung bei gestörten Familiensituationen als Hilfe dienen sollen, ist daher bei der Berechnung von Unterhaltsrenten im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB nicht sachgerecht.
Rz. 92
Bei der Festlegung der Höhe der prozentualen Quoten ist davon auszugehen, dass der Anteil, der dem erwerbstätigen Ehegatten an den Familieneinkünften zusteht, etwas höher angesetzt werden kann als derjenige des Nichterwerbstätigen; diese Differenz darf aber nicht zu hoch (in der Regel nicht etwa 60 % zu 40 %) angesetzt werden, sondern kann durchaus in angemessener Weise mit 5 % bewertet werden. Sind beide Ehegatten berufstätig oder ist keiner von ihnen mehr erwerbstätig, rechtfertigt sich eine Aufteilung 50 % zu 50 %. Ist der (allein) verdienende Ehegatte getötet worden und sind neben dem haushaltsführenden Ehepartner auch Kinder als Hinterbliebene anspruchsberechtigt, so sind deren Quoten je nach den unterschiedlichen Bedürfnissen (Alter, Ausbildungskosten etc.) zu bemessen; es begegnet durchgreifenden Bedenken, die auf die Kinder entfallenden Quoten unabhängig von deren konkreter Lebenssituation, insbesondere ihres Alters, gleich zu bemessen. Gehören die Kinder des Getöteten unterschiedlichen Altersgruppen an, dürfen die Schadensrenten im Rahmen der Bemessung des Unterhaltsschadens in der Regel nicht gleich hoch ausfallen; der Altersunterschied ist vielmehr durch eine Quotierung mit unterschiedlich hohen Quoten zu berücksichtigen. In der Regel werden Prozentzahlen zwischen 15 % und 20 % für ein Kind infrage kommen. Es können sich aber auch (bei mehr als zwei Kindern) geringere Quoten rechtfertigen, ebenso wie im Einzelfall – insbesondere bei niedrigeren Einkommen – auch höhere Quoten infrage kommen. Unabhängig von der gewählten Quote darf allerdings der auf die Kinder entfallende Unterhaltsbetrag, was bei sehr hohen Familieneinkommen von Bedeutung sein kann, eine angemessene Obergrenze nicht übersteigen.