Rz. 10

Grundsätzlich unterliegt die Möglichkeit der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens einer MPU – nicht zuletzt mit Blick auf die auf dem Spiel stehenden Rechts- und Schutzgüter – keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[10] Allerdings ist bei seiner Anordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Hilfsmittel der medizinisch-psychologischen Begutachtung ist unverzichtbar, da weder die Behörden noch die Gerichte über eigenen Sachverstand verfügen, notwendige medizinisch-psychologische Erkenntnisse selbst zu gewinnen, geschweige denn, das Verhalten eines Menschen selbst einer diesbezüglichen Bewertung zu unterziehen.[11] Das System der medizinisch-psychologischen Begutachtung der Kraftfahreignung ist ein wichtiges und bewährtes Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zur Erhaltung der Mobilität des Einzelnen.[12] Die Sinnhaftigkeit der MPU ändert aber nichts an berechtigter Kritik an ihrer Durchführung.[13]

 

Rz. 11

Liegt ein nachvollziehbares und schlüssiges negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vor, so darf die Fahrerlaubnisbehörde sich dementsprechend auch nicht über dieses hinwegsetzen und die FE erteilen.[14] Andererseits darf das Gutachten auch nicht von der Fahrerlaubnisbehörde ungeprüft und unkritisch übernommen werden.[15] Geht man aber einmal davon aus, dass der Fahrerlaubnisbehörde die Sachkunde fehlt – sonst hätte es ja auch keines Gutachters bedurft – so bleibt im Prinzip der "Gutachter die maßgebliche Entscheidungsinstanz".[16] Das aber muss sich wiederum zwingend auf den für sie geltenden und rechtsstaatlich zu ziehenden rechtlichen Handlungsrahmen auswirken. Hier stellt sich generell die Problematik der Einbeziehung Privater in die hoheitliche Aufgabenerfüllung (siehe dazu auch unten § 50 Rdn 47 ff.).

[10] BVerfG zfs 1984, 380 mit Anm. Greck; BVerwG zfs 1996, 77, 78; vgl. auch BVerfG zfs 1993, 285; 2002, 454, und 460.
[11] VG Neustadt a.d.W. zfs 2003, 479; OVG RP, Urt. v. 27.6.1997 – 7 A 10529/97, in ESOVG-RP.
[12] 48. VGT Goslar 2010, Ak VI, Empfehlung 1; 52. VGT 2014 Goslar, Ak V, Empfehlung 1.
[13] Kürti, SVR 2010, 327; Geiger, SVR 2010, 408; Geiger, Die medizinisch-psychologische Untersuchung: Untersuchungsanlässe, inhaltliche Anforderungen, Reformansätze, 48. VGT Goslar 2010, S. 203, 211; Hillmann, "Idiotentest" auf dem Prüfstand, 48. VGT Goslar 2010, S. 215 ff. Siehe auch Schlussbericht Projektgruppe "MPU-Reform", BASt März 2015.
[14] VG Neustadt a.d.W. zfs 2003, 479.
[15] BayVGH, Beschl. v. 28.11.2014 – 11 CS 14.2267, juris.
[16] Rebler, NZV 2016, 61, 67 m.w.N.

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