1. Umfang der Angelegenheit
Rz. 1
Im Berufungsverfahren gelten die Vorschriften nach Teil 3 Abschnitt 2 VV, und zwar nach Unterabschnitt 1. Das Berufungsverfahren ist gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren eine eigene Angelegenheit (§ 17 Nr. 1 RVG). Es beginnt für den Anwalt des Berufungsklägers mit dem Auftrag zur Einlegung der Berufung und für den Anwalt des Berufungsbeklagten mit dem ersten auftragsgemäßen Tätigwerden nach Entgegennahme der gegnerischen Berufung.
Rz. 2
Wechselseitig geführte Berufungen, die miteinander verbunden werden, sind eine Angelegenheit. Die Gebühren entstehen dann insgesamt nur einmal, und zwar aus den zusammengerechneten Werten (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 GKG), sofern nicht derselbe Gegenstand zugrunde liegt; dann gilt nur der höhere Wert (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 S. 3 GKG).
Rz. 3
Die Tätigkeit des Anwalts im Hinblick auf die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht zählt noch zum Rechtszug (§ 16 Nr. 11 RVG). Erst die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 17 Nr. 9 RVG eine neue Angelegenheit (siehe § 16 Rdn 4 ff.).
Rz. 4
Zur Frage, wie abzurechnen ist, wenn im Berufungsverfahren die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 537 ZPO beantragt wird, siehe § 24.
Rz. 5
Auch im Berufungsverfahren kann ein Verkehrsanwalt beauftragt werden. Er erhält seine Vergütung ebenfalls nach Nr. 3400 VV, und zwar in Höhe der Gebühr, die der Verfahrensbevollmächtigte erhält. Allerdings gilt wiederum der Höchstsatz von 1,0 (siehe § 20 Rdn 23 Beispiel 2). Ebenso kann hier ein Terminsvertreter beauftragt werden (siehe § 20 Rdn 71 Beispiel 29).
Rz. 6
Wird ein Berufungsurteil vom BGH aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, so stellt das Verfahren nach Zurückverweisung (zur Zurückverweisung siehe auch § 14 Rdn 76 ff.) eine neue Angelegenheit dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Der Anwalt kann dann sämtliche Gebühren erneut verdienen. Die Verfahrensgebühr des vorangegangenen Berufungsverfahrens wird allerdings auf die Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens nach Zurückverweisung angerechnet. Es sei denn, es wird an ein Gericht zurückverwiesen, das mit der Sache noch nicht befasst war (Vorbem. 3 Abs. 6 VV), oder seit der Beendigung des ersten Berufungsverfahrens sind zwischenzeitlich mehr als zwei Kalenderjahre vergangen (§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG) (siehe Rdn 80).
2. Verfahrensgebühr
Rz. 7
Für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren, also für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV), erhält der Anwalt nach Nr. 3200 VV zunächst einmal eine 1,6-Verfahrensgebühr.
Rz. 8
Vertritt er mehrere Auftraggeber gemeinschaftlich wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0. Vertritt er mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände, bleibt es bei der einfachen 1,6-Verfahrensgebühr, die sich dann allerdings aus den addierten Werten der einzelnen Berufungen berechnet (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
Rz. 9
Erledigt sich das Berufungsverfahren vorzeitig, also bevor der Rechtsanwalt die Berufung eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme der Berufung enthält, einreicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, so reduziert sich die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 VV auf 1,1, also z.B. wenn der Anwalt den Auftrag zur Berufung erhält, von deren Einlegung aber abrät und die Berufung auch nicht einlegt.
Rz. 10
Soweit der Anwalt noch nicht den Auftrag hatte, die Berufung einzulegen, sondern er zunächst die Erfolgsaussicht der Berufung prüfen sollte, und er von der Einlegung der Berufung abrät, liegt noch kein Berufungsauftrag vor. Abzurechnen ist dann nicht nach Teil 3 VV, sondern nach Teil 2 VV. Der Anwalt erhält dann lediglich eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV in Höhe von 0,5 bis 1,0 und, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht mit der Ausarbeitung eines Gutachtens verbunden ist, eine 1,3-Gebühr nach Nr. 2101 VV, die allerdings im anschließenden Berufungsverfahren anzurechnen ist (siehe hierzu § 6 Rdn 26).
Rz. 11
Ein weiterer häufiger Anwendungsfall der Nr. 3201 Nr. 1 VV liegt darin, dass die erstinstanzlich unterlegene Partei zunächst (fristwahrend) Berufung eingelegt, diese aber, ohne dass sie begründet worden ist, wieder zurücknimmt. Der Anwalt des Berufungsgegners, der in dieser Phase noch keinen Zurückweisungsantrag gestellt hatte, erhält dann ebenfalls nur eine 1,1-Gebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV, die auch erstattungsfähig ist (siehe Beispiel 10).
Rz. 12
Ebenso entsteht nur eine 1,1-Verfahrensgebühr, soweit beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO), oder soweit lediglich Verhandlungen zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden (Nr. 3201 Nr. 2 VV).
Rz. 13
Zu beachten ist § 15 Abs. 3 RVG. D...