Rz. 235
Aus steuerrechtlicher Sicht ist auf Ebene der Betriebs-Kapitalgesellschaft die Frage erheblich, ob eine passivierte Verbindlichkeit durch den Rangrücktritt mangels gegenwärtiger Belastung (§ 247 Abs. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG) ertragswirksam auszubuchen ist oder ob dies nur in der Steuerbilanz zu erfolgen hat, wenn die qualifizierten Voraussetzungen gem. § 5 Abs. 2a EStG erfüllt sind. Nach dieser Regelung sind Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst zu passivieren, wenn diese Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Nach dem Schrifttum fallen die vom BGH zur heutigen Rechtslage unter Geltung des § 19 Abs. 2 Satz 3 InsO beurteilten Rangrücktritte schon deshalb nicht unter § 5 Abs. 2a EStG, weil sie die Durchsetzungssperre für den Gläubiger von einem Zeitmoment (den Eintritt der Insolvenzreife) und nicht von künftigen Einnahmen/Gewinnen abhängig machen und eine Tilgung des Schuldners außerhalb dieser Beschränkungen aus dem gesamten Vermögen und damit auch aus dem nach vorrangiger Befriedigung anderer Gläubiger verbleibenden ("freien") Vermögen zu erfolgen hat. Es besteht aufgrund der zeitlichen Voraussetzung für die Verpflichtung der Schuldnergesellschaft zur Tilgung nicht wie in § 5 Abs. 2a EStG vorausgesetzt, eine Abhängigkeit zwischen der Tilgung der Verbindlichkeit und künftigen Einnahmen und Gewinnen. Der XI. Senat des BFH hat mit Urt. v. 19.8.2020 geklärt, dass für die Prüfung der Voraussetzungen in § 5 Abs. 2a EStG ausschließlich an die rechtliche Ausgestaltung des Rangrücktritts anzuknüpfen ist. Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.
Folgen bei der Betriebs-GmbH: Greift ausnahmsweise § 5 Abs. 2a EStG ein, führt die Ausbuchung der Verbindlichkeit auf Ebene der GmbH zu einem Ertrag und dieser "Wegfallgewinn" ist in Höhe des Teilwerts der Forderung durch eine (verdeckte) Einlage außerbilanziell zu neutralisieren.
Folgen beim Gesellschafter: Eine Rangrücktrittsvereinbarung, die aufgrund des § 5 Abs. 2a EStG zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit beim Schuldner führt, bewirkt anders als ein zivilrechtlicher Forderungsverzicht kein Erlöschen der Darlehensforderung des Gläubigers. Die Aktivierung der Forderung beim Gläubiger ist daher ungeachtet des Rangrücktritts und der Ausbuchung der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz des Schuldners weiterhin geboten. Es werden damit die Voraussetzungen des § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG weder durch den Abschluss der Rangrücktrittsvereinbarung noch durch die Ausbuchung der Schuld bei der Betriebs-GmbH erfüllt. Erst wenn der Gesellschafter das Wahlrecht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ausübt und seine Darlehensforderung auf den Teilwert berichtigt, kann dies unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 EStG die Rechtsfolgen der Vorschrift auslösen und zu einer außerbilanziellen Hinzurechnung führen.