1. Grundlagen des Verpächterwahlrechts
Rz. 77
Verpachtet ein Steuerpflichtiger seinen gesamten Betrieb, ist darin grds. eine Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit zu sehen, da er nur noch vermögensverwaltend tätig wird. Diese Betriebsaufgabe würde dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG entsprechend zu einer sofortigen Aufdeckung und Besteuerung der im Betrieb ruhenden stillen Reserven führen. Der Steuerpflichtige kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG i.V.m. § 34 EStG den Freibetrag und den ermäßigten Steuersatz auf den Aufgabegewinn anwenden. Der BFH gewährt dem Verpächter in ständiger Rspr. das Recht unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, eine Erklärung über die Aufgabe des Betriebs zu unterlassen (sog. Verpächterwahlrecht). Eine Aufdeckung der stillen Reserven kann dadurch vermieden werden (s.a. § 16 Abs. 3b EStG). Der Betrieb besteht dann als gewerbliches Verpachtungsunternehmen weiter und wird einkommensteuerlich als ruhender Gewerbebetrieb angesehen. Die im Betrieb ruhenden stillen Reserven werden nicht aufgedeckt und dementsprechend auch nicht besteuert. Der Verpächter erzielt weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Gegensatz zur Betriebsaufspaltung, bei der es für die erforderliche sachliche Verflechtung bereits genügt, wenn der Betriebs-Kapitalgesellschaft lediglich eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlassen wird, setzt sowohl die Begründung als auch das Fortbestehen einer Betriebsverpachtung im Ganzen die Überlassung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen voraus. Abzustellen ist hier – anders als im Falle einer Betriebsaufspaltung – auf die Verhältnisse des verpachtenden Unternehmens. In den Konstellationen, in denen dieses Betriebserhaltungsmodell der Betriebsaufspaltung zugrunde liegt, sind regelmäßig auch die Voraussetzungen des Verpächterwahlrechts erfüllt. Das Verpächterwahlrecht kann trotz Vorliegens der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen dann nicht ausgeübt werden, wenn gleichzeitig die Tatbestandsmerkmale der Betriebsaufspaltung erfüllt werden.
2. Vorrang der Betriebsaufspaltung
Rz. 78
Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung sind vorrangig vor denen der Betriebsverpachtung anzuwenden. Zur Abgrenzung sei noch wiederholend erwähnt, dass die Überlassung der Wirtschaftsgüter eines Betriebs durch einen beherrschenden Mitunternehmer an eine Personengesellschaft weder nach den Grundsätzen der Betriebsverpachtung noch nach den Grundsätzen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, sondern ausschließlich als überlassenes Sonderbetriebsvermögen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu beurteilen ist. Ein Nebeneinander zwischen Betriebsverpachtung und überlagernder Betriebsaufspaltung kommt daher nur bei der Verpachtung an beherrschte Kapitalgesellschaften zum Tragen.
Das Nebeneinander von Betriebsverpachtung und Betriebsaufspaltung hat beim Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung Bedeutung. Der Wegfall der sachlichen und/oder der personellen Verflechtung führt nach ständiger Rspr. des BFH zu einer mit der Aufdeckung der stillen Reserven einhergehenden (Zwangs-)Aufgabe des Besitzunternehmens. Diese kann aber unter bestimmten Umständen mithilfe des Verpächterwahlrechts vermieden werden. Das Verpächterwahlrecht lebt wieder auf, wenn eine "Betriebsverpachtung in der Betriebsaufspaltung" vorgelegen hat, also ein funktionsfähiger Betrieb zu Beginn der Betriebsaufspaltung vorlag und dieser im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung ohne Weiteres wieder aufgenommen werden kann und die persönlichen Voraussetzungen des Verpächterwahlrechts gegeben sind. Der BFH hat mit Urt. v. 17.4.2002 das Wiederaufleben des Verpächterwahlrechts auch für den Fall angenommen, dass das Besitzunternehmen zunächst keinen Betrieb, sondern einzelne Wirtschaftsgüter an die Betriebsgesellschaft überlassen hat (also aus einer unechten Betriebsaufspaltung hervorgegangen ist), wenn im Zeitpunkt des Endes der Betriebsaufspaltung ein vollständiger Betrieb oder zumindest sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen im Besitzunternehmen gehalten werden. In einem Urt. v. 15.3.2005 hat der BFH seine ständige Rspr. bestätigt, dass es sowohl bei Wegfall der sachlichen als auch der personellen Verflechtung zum Wiederaufleben des Verpächterwahlrechts kommt.
Wird nach Wegfall der sachlichen oder persönlichen Verflechtung der Betrieb weiter an die frühere Betriebsgesellschaft verpachtet, kommt es nicht zur zwingenden Gewinnrealisierung durch eine Betriebsaufgabe. Der Fortbestand der Betriebsverpachtung ist durch die Neuregelung des § 16 Abs. 3b EStG, der einen Fortfall der Verpachtung ohne Aufgabeerklärung ausschließt, zusätzlich abgesichert. Die weiteren Steuerfolgen der Nutzungsüberlassung entsprechen denen, die beim "Wiesbadener Modell" vorgestellt wurden.
In diesem Zusammenhang hat der BFH mit Urt. v. 20.1.2005 auch entschieden, dass die Grundstücksverwaltung einen Teilbetrieb der bisherigen Besitzgesellschaft bilden kann, wenn nach Begründung einer Betriebsaufspaltung die Besitzperson...