1. Systematische Einordnung der Gestaltungsmöglichkeit
a) Überlassung von Wirtschaftsgütern durch eine gewerbliche Schwesterpersonengesellschaft
Rz. 87
Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG erfasst nur die Fälle, nach denen ein unmittelbar Beteiligter oder der Beteiligte an einer Obergesellschaft einer Mitunternehmerschaft ein Wirtschaftsgut zur Nutzung überlassen. Der BFH hat jedoch schon früh den Anwendungsbereich der Vorschrift teleologisch erweitert auf Fälle, in denen ein Dritter in den Leistungsaustausch zwischen Gesellschafter und Gesellschaft eingeschaltet wird (Leistungsmittler). Dieser Dritte kann auch eine Schwesterpersonengesellschaft sein. Hier entstehen Berührungspunkte zu den "horizontalen" mitunternehmerischen Betriebsaufspaltungen, die lediglich eine besondere Konstellation der Nutzungsüberlassung zwischen Schwesterpersonengesellschaften bilden. Kernproblem ist in diesen Fallkonstellationen die Frage der sog. Bilanzierungskonkurrenz der überlassenen Wirtschaftsgüter: Fraglich ist, ob diese Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der überlassenden Schwestergesellschaft (Besitzpersonengesellschaft) oder im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Betriebspersonengesellschaft zu erfassen sind.
b) Entwicklung der Rechtslage
aa) Rechtslage bis zur Rechtsprechungsänderung in den 90er-Jahren: Vorrang des Sonderbetriebsvermögens
Rz. 88
Nach Aufgabe der sog. Subsidiaritätstheorie durch das BFH-Urt. v. 18.7.1979, dem sich die Finanzverwaltung anschloss, galt bei der Überlassung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften ein Vorrang des Sonderbetriebsvermögens, d.h. die Wirtschaftsgüter waren vorrangig im Sonderbetriebsvermögen der überlassenden Mitunternehmer bei der nutzenden Mitunternehmerschaft, nicht aber im Betriebsvermögen der überlassenden Schwesterpersonengesellschaft zu erfassen. Dies galt auch, wenn zugleich die Voraussetzungen einer sog. mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung vorlagen, wenn also neben der personellen Verflechtung (= Beherrschung der nutzenden Personengesellschaft durch die überlassenden Mitunternehmer) das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut auch zu einer sachlichen Verflechtung führte, weil es als funktional wesentliche Betriebsgrundlage der nutzenden Betriebspersonengesellschaft anzusehen war. Im Ergebnis bedeutete dies, dass sich die Rechtsfolgen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung nicht einstellten, insb. mangels eines eigenständigen Betriebsvermögens kein Besitzunternehmen gebildet werden konnte. Denn die überlassenen Wirtschaftsgüter waren ja vorrangig bei der nutzenden Mitunternehmerschaft zu erfassen.
bb) Rechtslage seit 1996: Vorrang des eigenen Betriebsvermögens der überlassenden Mitunternehmerschaft
Rz. 89
Durch mehrere BFH-Entscheidungen sowie einen Erlass des BMF vom 28.4.1998 ist die Rechtslage in diesem Bereich Ende der 90er-Jahre neu geklärt worden. Die Rspr. vollzog eine Kehrtwendung. Seither werden die von einer gewerblich geprägten bzw. gewerblich tätigen Personengesellschaft an eine Schwesterpersonengesellschaft zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter als eigenes Betriebsvermögen der überlassenden Gesellschaft und nicht mehr als Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Personengesellschaft qualifiziert.
Rz. 90
Innerhalb dieser Gemengelage stellte der BFH auch neue Grundsätze zur Nutzungsüberlassung bei Vorliegen der Voraussetzungen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung auf. Wird das von der Besitzgesellschaft an die Betriebsgesellschaft überlassene Wirtschaftsgut als wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft angesehen, treten nunmehr überlagernd neben die Rspr. zur Überlassung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften die Grundsätze für die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen mitunternehmerischer Betriebsaufspaltungen.
Mit der Entscheidung des BFH vom 23.4.1996 und dem BMF-Schreiben vom 28.4.1998 ist die Rechtslage zur Bilanzierungskonkurrenz dahingehend geklärt, dass bei der "horizontalen" mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung das überlassene Wirtschaftsgut vorrangig beim Besitzunternehmen und nicht im Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Gesellschaft besteht. Allerdings hat der BFH in einer Entscheidung zu § 4 Abs. 4a EStG verdeutlicht, dass das Sonderbetriebsvermögen, welches der vorrangigen Zuordnung zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft unterliegt, zugleich "latentes" Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebsgesellschaft bleibt, d.h., mit Beendigung der Betriebsaufspaltung lebt die Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen wieder auf.
Hinweis
Im Ergebnis bedeutet dies, dass ein Wirtschaftsgut, welches als wesentliche Betriebsgrundlage an eine Betriebspersonengesellschaft von einer Besitzpersonengesellschaft vermietet wird, bei der Besitzgesellschaft zu erfassen ist.
Rz. 91
Nicht betroffen von der neuen Rspr. sind die Fälle der sog. doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaft, also diejenigen Fälle, in denen eine Personengesellschaft selbst unmittelbar oder mittel...