Rz. 38

Für die vor dem Bekanntwerden des EGMR-Urteils, also vor dem 29.5.2009 eingetretenen Erbfälle verbleibt es bei der bisherigen Gesetzeslage, d.h. die Zeitgrenze 1.7.1949 bleibt bestehen, Art. 12 § 10 Abs. 1 NEhelG in der Fassung des Zweiten ErbRGleichG. Durch die Neuregelung dürften die statistisch häufigsten Fälle zugunsten einer Gleichbehandlung mit ehelichen Kindern erfasst sein, wenn man die statistische Lebenserwartung der nichtehelichen Väter in die Betrachtung mit einbezieht.

 

Rz. 39

Für die vor dem 29.5.2009 eingetretenen Erbfälle greift lt. nunmehriger Rechtsprechung des BGH die deutsche gesetzliche Regelung in einer EMRK-konformen Auslegung. Insbesondere ist Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (Eigentumsschutz) zu beachten. Es ist zwar streitig, ob und ggf. wie weit durch eine teleologische Auslegung der Norm eine Konformität mit den genannten EMRK-Regeln hergestellt werden kann,[55] der BGH hat diese Frage jedoch klar zugunsten einer sehr weitgehenden Auslegung zugunsten der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR bejaht (vgl. Rdn 34).

 

Rz. 40

Mit den Entscheidungen des EGMR in Sachen Wolter und Sarfert gegen Deutschland wird deutlich, dass diese weitgehende teleologische Auslegung im Regelfall nur dazu führen kann, dass von wesentlichen gesetzlichen Inhalten des NEhelG, insbesondere betreffend dem Geburtsdatum und dem Erfordernis des Bestehens eines lebzeitigen Familienlebens im Einzelfall nicht festgehalten werden darf.

 

Hinweis

Mit den Entscheidungen vom 23.3.2017 wurde die Entscheidung des EGMR vom 29.5.2009 in zwei wesentlichen Punkten zugunsten der vor dem 1.9.1949 geborenen nichtehelichen Kinder erweitert:

1. Das Erfordernis eines "Familienlebens" zwischen Kind und Vater wurde fallen gelassen.

2. Auch in Fällen, die nach geänderter deutscher Gesetzesregelung zu einem Ausschluss der Rechte für das Kind führen, kann ein Verstoß gegen die EMRK vorliegen.

[55] Umstr., dafür mit Darstellung des Streitstands Leipold, ZEV 2017, 510.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge