I. Allgemeines
Rz. 62
Neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch (§§ 823 ff. mit § 249 BGB), der den Beweis des Verschuldens des Schädigers voraussetzt und auf Herstellung des Zustandes gerichtet ist, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, oder anstelle eines solchen Anspruchs kann derjenige, der in seinen durch §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsgütern verletzt wird, in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB – die letztgenannte Vorschrift wird in diesem Zusammenhang häufig allein verwendet – von dem Störer die Beseitigung einer fortdauernden widerrechtlichen Beeinträchtigung für die Zukunft und, falls weitere Störungen zu besorgen sind, Unterlassung künftiger rechtswidriger Störungen verlangen, ohne dass den Störer ein Verschulden treffen muss.
Solche "quasi-negatorischen" Ansprüche können in ihrer Wirkung derjenigen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs, der grds. auf Naturalrestitution gerichtet ist (§ 249 BGB), weitgehend gleichkommen. Die Abwehransprüche richten sich gegen jeden, der unmittelbar oder mittelbar an der Beeinträchtigung des fremden Rechtsguts mitwirkt. Dem Betroffenen kann ein Anspruch auf Auskunft darüber zustehen, wem ggü. die zu widerrufende Behauptung aufgestellt worden ist.
Rz. 63
Auf den schuldunabhängigen Abwehranspruch kann sich ein – auch schuldloser – Störungsbeitrag des Betroffenen in Anwendung des Rechtsgedanken des § 254 BGB auswirken. Ob dies auch für einen (quasi-)negatorischen Anspruch auf Widerruf und Unterlassung gilt, hat der BGH noch nicht entschieden; zum Ehrenschutz wegen eines mehrdeutigen – fremdsprachigen – Zitats hat er dies – aus der Sache heraus für den beurteilten Einzelfall – abgelehnt, weil der Betroffene wegen der Mehrdeutigkeit vom Störer einen "Interpretationsvorbehalt" verlangen könne.
Rz. 64
Grds. hat der Betroffene alle Voraussetzungen eines Abwehranspruchs zu beweisen. Wird das – auch in § 823 Abs. 2 BGB geschützte – allgemeine Persönlichkeitsrecht einschließlich der persönlichen Ehre durch eine üble Nachrede i.S.d. § 186 StGB beeinträchtigt, so hat der Störer wegen der in dieser Vorschrift enthaltenen Beweisregel die Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache zu beweisen (vgl. auch die Beweisregel des § 190 StGB); hat der Störer jedoch in Wahrnehmung berechtigter Interessen (Art. 5 GG, § 193 StGB) gehandelt, so hat der Betroffene die Unwahrheit der Tatsache zu beweisen. Ein Widerruf einer ehrkränkenden Behauptung kann weder im Wege eines deliktischen Schadensersatzanspruchs noch eines Abwehranspruchs verlangt werden, wenn sich nicht klären lässt, ob die Behauptung richtig oder falsch ist; insoweit trägt also der Betroffene immer die Beweislast. Die Unwahrheit kann als erwiesen angesehen werden, wenn der Störer einem konkreten Vorbringen des Betroffenen keinen substanziierten Vortrag entgegensetzt oder eine mögliche Substanziierung für die Richtigkeit der Behauptung verweigert.
Rz. 65
Nach aktueller Rechtslage (vgl. § 7 Rdn 2 ff.) verjähren Abwehransprüche aus unmittelbarer und entsprechender Anwendung des § 1004 BGB grds. nach §§ 195, 199 BGB.
Nach altem Recht verjährten Abwehransprüche, die sich unmittelbar aus § 1004 BGB ergeben, grds. in 30 Jahren ab ihrer Entstehung (§ 195 BGB a.F.); ausnahmsweise galt eine kürzere Verjährungsfrist, wenn eine solche für einen Ersatzanspruch aus demselben Sachverhalt maßgeblich war. Dagegen verjährten quasi-negatorische – schuldunabhängige – Abwehransprüche, die sich in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB ergaben, nach § 852 BGB a.F., weil dies auch für – schuldabhängige – deliktische Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche galt.
Rz. 66
Die begehrte Abwehrmaßnahme muss verhältnismäßig und zumutbar sowie geeignet sein. Dies müssen der Antrag der Klage, die im Zivilrechtsweg zu verfolgen ist, und das Urteil berücksichtigen. Ein Unterlassungsanspruch wird regelmäßig im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht. Für den Widerrufsanspruch ist dieses vorläufige Verfahren ungeeignet; ein Widerruf in diesem Verfahren würde sich als endgültig darstellen.
Die Kosten der Beseitigung hat grds. der Störer zu tragen. Die Vollstreckung eines titulierten Anspruchs auf eine Beseitigungsmaßnahme, die auch ein Dritter vornehmen kann, richtet sich nach § 887 ZPO. Ein Anspruch auf Widerruf einer unwahren Behauptung wird nach § 888 ZPO – nicht nach § 894 ZPO – vollstreckt. Wer zu einem uneingeschränkten Widerruf verurteilt wurde, kann diesen nicht mit abschwächenden Zusätzen oder Einschränkungen erklären. Die Vollstreckung eines Unterlassungsgebots bestimmt sich nach § 890 ZPO.