Rz. 104
Nach § 824 BGB hat derjenige, der eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss (Abs. 1); eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, verpflichtet diesen nicht zum Schadensersatz, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat (Abs. 2).
I. Geschütztes Rechtsgut
Rz. 105
Die Bestimmung soll die wirtschaftliche Wertschätzung ("Geschäftsehre") von Personen und Unternehmen schützen. Die behauptete oder verbreitete Tatsache muss sich nach dem Verständnis des Verkehrs mit dem Betroffenen befassen oder zumindest in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder seiner gewerblichen Leistung stehen. Neben einem Schadensersatzanspruch aus § 824 BGB kommen ein deliktischer Ehrenschutz nach § 823 Abs. 1 BGB (vgl. Rdn 7 ff.) oder § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Rdn 88 ff.) und Abwehransprüche entsprechend § 1004 BGB – i.V.m. §§ 823, 824 BGB – in Betracht (vgl. Rdn 62 ff.). Die Schutzbereiche des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB einerseits und des § 824 BGB andererseits ergänzen sich; diese Bestimmung ist insoweit keine vorrangige Sondervorschrift.
II. Verletzung
Rz. 106
Tathandlung ist die Behauptung oder Verbreitung unwahrer – nicht unbedingt ehrkränkender – Tatsachen, die der Geschäftsehre abträglich sein können. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist es, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Werturteile sind keine beweisbaren Tatsachen; allerdings kann eine als Meinungsäußerung dargestellte Erklärung – etwa eine "Verdachtsäußerung" – eine versteckte Tatsachenbehauptung sein (vgl. Rdn 69). Bei Äußerungen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen oder Werturteile enthalten, kommt es auf den Kern oder die Prägung der Aussage an, insb. ob die Äußerung insgesamt durch ein Werturteil geprägt ist und ihr Tatsachengehalt ggü. der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt oder aber ob überwiegend, wenn auch vermischt mit Wertungen, über tatsächliche Vorgänge oder Zustände berichtet wird.
III. Verschulden
Rz. 107
Für das Verschulden reicht es aus, dass der Täter die Unwahrheit der Tatsache fahrlässig nicht kennt. Bei der Veröffentlichung von Mitteilungen, die – wie etwa Preisvergleiche – einschneidende Folgen für die Betroffenen haben können, sind hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht zu stellen.
IV. Schutzbereich
Rz. 108
Die weite Fassung des § 824 BGB erfordert mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte und Stellung dieser Vorschrift innerhalb des Deliktsrechts eine Begrenzung ihres Schutzbereichs. Sie schützt die Geschäftsehre des Betroffenen gegen die – gerade gegen seine Erwerbstätigkeit gerichtete – Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen nur insoweit, als diese die geschäftlichen Entschließungen gegenwärtiger und künftiger Geschäftspartner unmittelbar beeinflussen können. "Außergeschäftliche" Störungen durch Personen, die nicht als Geschäftspartner, sondern als "Außenstehende" den Kredit gefährden und Erwerb oder Fortkommen beeinträchtigen können (Aufrufe zu Streiks, zu Blockaden oder zu Maßnahmen Dritter), werden vom Schutzbereich des § 824 BGB grds. nicht umfasst; allerdings können solche Vorgänge den durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Gewerbebetrieb beeinträchtigen (vgl. Rdn 7).
V. Berechtigtes Interesse
Rz. 109
Die Mitteilung einer unwahren Tatsache, deren Unrichtigkeit der Mitteilende nicht kennt, verpflichtet selbst bei fahrlässiger Unkenntnis nicht zum Schadensersatz, wenn der Mitteilende oder der Empfänger an der Mitteilung ein berechtigtes Interesse hat (§ 824 Abs. 2 BGB). Diese Vorschrift ist besonders für Medien, Auskunfteien und Warentestinstitute bedeutsam. Die Annahme eines rechtfertigenden Interesses i.S.d. Bestimmung setzt i.d.R. eine Abwägung der schutzwürdigen wirtschaftlichen Belange...