Rz. 133
Nach § 831 BGB ist derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt (Abs. 1 Satz 1). Diese Haftung des Geschäftsherrn tritt nicht ein, wenn er bei der Auswahl der bestellten Hilfsperson und, falls er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre (Abs. 1 Satz 2). In gleicher Weise ist derjenige verantwortlich, der für den Geschäftsherrn die Besorgung eines Geschäfts i.S.d. Abs. 1 Satz 2 vertraglich übernimmt (Abs. 2).
I. Haftungsgrundlage
Rz. 134
Die Haftung des Geschäftsherrn für eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige – mit Ausnahme des § 826 BGB nicht unbedingt schuldhafte – unerlaubte Handlung des Gehilfen beruht auf der Vermutung eines eigenen Verschuldens bei der Auswahl oder Leitung und Überwachung des Gehilfen (vgl. § 831 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB) sowie auf der weiteren Vermutung (vgl. § 831 Abs. 1 Satz 2 letzter Hs. BGB), dass ein Ursachenzusammenhang zwischen einem solchen Verschulden des Geschäftsherrn und der Schädigung des Dritten durch die Hilfsperson besteht. Danach setzt eine Haftung des Geschäftsherrn dessen Schuldfähigkeit voraus.
Dagegen hat nach § 278 BGB derjenige für das Verschulden anderer Personen einzustehen, deren er sich zur Erfüllung seiner – im Zeitpunkt der Schädigung bereits bestehenden – Verbindlichkeit bedient, ohne dass er sich durch einen Entlastungsbeweis von seiner Haftung befreien kann. Diese Möglichkeit entfällt auch bei der Organhaftung nach §§ 31, 89 Abs. 1 BGB (vgl. Rdn 29); die nach diesen Vorschriften Verantwortlichen können einer Haftung nach § 831 BGB für andere Bedienstete durch den Entlastungsbeweis entgehen (vgl. Rdn 141 ff.).
Rz. 135
Für eine unerlaubte Handlung nach §§ 823 ff. BGB haftet der Gehilfe selbst. Auch der Geschäftsherr kann nach diesen Vorschriften – über § 831 BGB hinaus – haften, wenn ihm selbst – etwa infolge schuldhafter Verletzung einer Aufsichts- und Überwachungspflicht – eine eigene unerlaubte Handlung vorzuwerfen ist. Sind sowohl der Geschäftsherr als auch der Gehilfe für einen Schaden aus unerlaubter Handlung verantwortlich, so haften sie dafür als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB). Der Ausgleich in ihrem Innenverhältnis richtet sich nach § 426 BGB, falls beide jeweils eine eigenständige schuldhafte unerlaubte Handlung (§§ 823 ff. BGB) begangen haben; haftet der Geschäftsherr nur aus vermutetem Verschulden nach § 831 BGB, so hat der Gehilfe bei erwiesenem Verschulden den vollen Innenausgleich zu erbringen (§ 840 Abs. 2 BGB).
Dem Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB kann der haftende Geschäftsherr ein Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) entgegenhalten (vgl. Rdn 49 ff.). Der Grundsatz, dass der vorsätzlich Handelnde i.d.R. den Schaden nicht auf einen Geschädigten abwälzen kann, der nur fahrlässig zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, gilt nicht, wenn lediglich der Gehilfe vorsätzlich gehandelt hat und der Geschäftsherr dafür nach § 831 BGB einstehen muss. Hat der Geschädigte seinerseits für einen Beitrag eines Gehilfen zur Entstehung des Schadens (nur) nach § 831 BGB einzustehen, so kann dies, sofern der Entlastungsbeweis nicht geführt wird, den Ersatzanspruch verringern oder ausschließen.
II. Verrichtungsgehilfe
Rz. 136
Zu einer Verrichtung i.S.d. § 831 BGB ist derjenige bestellt, dem der Geschäftsherr im Rahmen eines dauernden oder wenigstens im konkreten Einzelfall bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses eine bestimmte Tätigkeit übertragen hat; dafür genügt es, dass der Geschäftsherr aufgrund eines Weisungsrechts die Tätigkeit des Gehilfen beschränken, untersagen oder nach Art, Zeit und Umfang bestimmen kann. Das Weisungsrecht braucht nicht ins Einzelne zu gehen. Verrichtungsgehilfe kann vielmehr jemand auch dann sein, wenn er aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung zu handeln hat. Entscheidend ist nur, dass die Tätigkeit in einer organisatorisch abhängigen Stellung vorgenommen wird. Hierfür genügt es, dass der Geschäftsherr dem Gehilfen die Arbeit jederzeit entziehen oder beschränken sowie Zeit und Umfang seiner Tätigkeit bestimmen kann. Für die Frage der Abhängigkeit kommt es auf die konkreten Bedingungen an, unter denen die schadenstiftende Tätigkeit geleistet wurde; die faktischen Verhältnisse sind maßgebend. So kann ein an sich Selbstständiger derart in einen fremden Organisationsbereich eingebunden sein, dass er als Verrichtungsgehilfe einzustufen ist. So wie eine Hilfsperson, die ggü. ihrem Geschäftsherrn eine weitgehend selbstständige Stellung hat, Verrichtungsgehilfe im vorstehenden...