Rz. 136
Zu einer Verrichtung i.S.d. § 831 BGB ist derjenige bestellt, dem der Geschäftsherr im Rahmen eines dauernden oder wenigstens im konkreten Einzelfall bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses eine bestimmte Tätigkeit übertragen hat; dafür genügt es, dass der Geschäftsherr aufgrund eines Weisungsrechts die Tätigkeit des Gehilfen beschränken, untersagen oder nach Art, Zeit und Umfang bestimmen kann. Das Weisungsrecht braucht nicht ins Einzelne zu gehen. Verrichtungsgehilfe kann vielmehr jemand auch dann sein, wenn er aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung zu handeln hat. Entscheidend ist nur, dass die Tätigkeit in einer organisatorisch abhängigen Stellung vorgenommen wird. Hierfür genügt es, dass der Geschäftsherr dem Gehilfen die Arbeit jederzeit entziehen oder beschränken sowie Zeit und Umfang seiner Tätigkeit bestimmen kann. Für die Frage der Abhängigkeit kommt es auf die konkreten Bedingungen an, unter denen die schadenstiftende Tätigkeit geleistet wurde; die faktischen Verhältnisse sind maßgebend. So kann ein an sich Selbstständiger derart in einen fremden Organisationsbereich eingebunden sein, dass er als Verrichtungsgehilfe einzustufen ist. So wie eine Hilfsperson, die ggü. ihrem Geschäftsherrn eine weitgehend selbstständige Stellung hat, Verrichtungsgehilfe im vorstehenden Sinne sein kann, gilt dies unter besonderen Umständen sogar für eine juristische Person. Dagegen sind diejenigen Personen, die – wie selbstständige Handwerker und Unternehmer – über Zeit und Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmen können, i.d.R. keine Verrichtungsgehilfen.
Ein Weisungsrecht im vorstehenden Sinne steht regelmäßig einer GbR – also etwa einer Rechtsberatersozietät – nicht ggü. ihren Gesellschaftern zu, sodass eine solche Gesellschaft grds. nicht aus § 831 BGB für eine unerlaubte Handlung eines Gesellschafters haftet. Abweichend von früherer Rechtsprechung muss sich aber eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft ein zu Schadensersatz verpflichtendes Handeln ihrer geschäftsführenden Gesellschafter entsprechend § 31 BGB zurechnen lassen; die Gesellschafter einer solchen Gesellschaft haften grds. auch für deren gesetzlich begründete Verbindlichkeiten persönlich und als Gesamtschuldner.
Rz. 137
Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1957 einen Rechtsanwalt, der aufgrund einer Namensverwechslung die Zwangsvollstreckung gegen einen Nichtschuldner betrieben hat, als Verrichtungsgehilfen seines Auftraggebers angesehen, sodass dieser für eine unerlaubte Handlung seines Anwalts in Ausführung seines Auftrags nach § 831 BGB haften soll. Auch das OLG Koblenz hat einen Rechtsanwalt, der einer Abmahnung eine gerichtliche Entscheidung beigefügt hatte, in der Name und Anschrift eines Mitbewerbers angegeben waren, als Verrichtungsgehilfen des Auftraggebers bezeichnet, aber dessen Haftung nach § 831 BGB verneint, weil der Mandant die Eignung des beauftragten Anwalts nicht zu prüfen und diesen auch nicht zu beaufsichtigen brauche.
Der Rechtsanwalt ist jedoch kein Verrichtungsgehilfe seines Auftraggebers i.S.d. Vorschrift. Einer Haftung für vermutetes eigenes Verschulden bei der Auswahl, Leitung und Überwachung einer Hilfsperson fehlt die Grundlage, wenn ein regelmäßig fachunkundiger Mandant – trotz seines vertraglichen Weisungsrechts (§§ 665, 675 Abs. 1 BGB; vgl. § 2 Rdn 347 ff.) – einen gem. § 6 BRAO zugelassenen Rechtsanwalt beauftragt, der ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist (§ 1 BRAO), einen freien Beruf ausübt (§ 2 BRAO) und der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist (§ 3 Abs. 1 BRAO).
Rz. 138
Verrichtungsgehilfen des Rechtsanwalts sind seine angestellten Bediensteten.