Rz. 82
Zur Abwehr künftiger widerrechtlicher Beeinträchtigungen eines nach §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsguts kann dessen Inhaber entsprechend §§ 12 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB von dem Störer Unterlassung verlangen (vgl. Rdn 62 ff.); auf dessen Verschulden kommt es dafür nicht an. Von diesem vorbeugenden Anspruch auf Unterlassung künftiger Störungen ist zu unterscheiden der – "wiederherstellende" – deliktische Anspruch, fortwirkende rechtswidrige Beeinträchtigungen des Rechtsguts zu unterlassen.
Rz. 83
Ein wichtiger Anwendungsfall ist der (quasi-)negatorische Anspruch auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen (vgl. Rdn 68 ff., 77). Der Betroffene hat einen Anspruch auf Unterlassung einer Tatsachenbehauptung, deren Unwahrheit feststeht, weil an der Wiederholung einer unwahren Behauptung kein berechtigtes Interesse besteht. Ist weder die Unwahrheit noch die Wahrheit der ehrenrührigen Behauptung erwiesen, so setzt ein Unterlassungsanspruch voraus, dass sich der andere Teil nicht auf ein Recht zu seiner Äußerung – etwa gem. Art. 5 Abs. 1 GG oder § 193 StGB – berufen kann. Fehlt ein solches Recht für ehrenkränkende Werturteile – etwa bei einer diffamierenden Schmähkritik (vgl. Rdn 71, 80) –, so kann deren Unterlassung verlangt werden.
Die Verwendung des Begriffs "Winkeladvokatur" ggü. einem gegnerischen Anwalt in einem Anwaltsschriftsatz ist geeignet, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) des betroffenen Anwalts einzugreifen. Denn damit wird unterstellt, der betroffene Rechtsanwalt habe eine geringe fachliche Eignung und dessen Seriosität sei zweifelhaft. Dies setzt ihn in seiner Persönlichkeit herab. Wird die Äußerung allerdings zunächst nur ggü. der Rechtsanwaltskammer getätigt und dann in einen Zivilprozess eingeführt, in dem nur die Prozessbeteiligten und das Gericht von ihr Kenntnis nehmen konnten, muss der Ausnahmecharakter der Unzulässigkeit von Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren beachtet werden. Denn Rechtsschutz ggü. Prozessbehauptungen ist nur gegeben, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt. Die bloße "Unangemessenheit" und "Unnötigkeit" der Äußerung reichen unter den gegebenen Umständen für einen Unterlassungsanspruch nicht aus. Der Vorwurf des Winkeladvokaten bedeutet nach Ansicht des BVerfG nur eine begrenzt gewichtige Herabsetzung allein in der beruflichen Ehre und betreffe den damit bezeichneten Anwalt lediglich in seiner Sozialsphäre, zumal der sich äußernde Anwalt sich wörtlich allein auf die Kanzlei und nicht auf die Person bezogen und den Begriff Winkeladvokatur in Anführungszeichen gesetzt habe. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung kann etwa bedeutsam sein, dass die für strafwürdig erachteten Äußerungen im sog. "Kampf ums Recht" erfolgten, oder dass die Äußerungen ausschließlich an die zuständige Behörde gerichtet wurden, ohne dass sie Unbeteiligten zur Kenntnis gelangen konnten. Als verfahrensrechtlich nicht privilegierte, unzulässige Schmähkritik, die zur Unterlassung nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB berechtigt, ist dagegen die Bezeichnung "Meisterbetrüger" und die Angabe, der gegnerische Anwalt begehe gewerblich Prozessbetrug, anzusehen.
Rz. 84
Wird ein Zitat in einem anderen inhaltlichen Zusammenhang wiedergegeben und dadurch unrichtig, unterfällt es nicht mehr dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der hierdurch Betroffene kann den Verwender auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Gibt ein Rechtsanwalt in einer von ihm verfassten Abhandlung, die er im Auftrag anlagegeschädigter Mandanten an Staatsanwaltschaften, Gerichte sowie Redaktionen von Wirtschaftszeitschriften versendet, ein Zitat aus einem Brancheninformationsdienst sinnentstellend wieder, so steht der hierdurch betroffenen Gesellschaft wegen Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts ein Unterlassungsanspruch zu. Bei Verwendung eines mehrdeutigen fremdsprachigen Zitats kann der Betroffene einen beschränkten Unterlassungsanspruch dahin haben, dass künftig Verwendungen des Zitats ein "Interpretationsvorbehalt" beigefügt wird.
Rz. 85
Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs ist grds. eine Wiederholungsgefahr, also die objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des Rechtsguts, die vom Betroffenen zu beweisen ist. Zu seinen Gunsten begründet eine vorausgegangene Störung des Rechtsguts die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr; an die Widerlegung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Wiederholungsgefahr entfällt regelmäßig nicht bereits durch die bloße Erklärung des Unterlassungsschuldners, die fragliche Äußerung in Zukunft zu unterlassen. Wie im Wettbewerbsrecht und im medienbezogenen Äußerungsrecht bedarf es auch bei gegen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gerichteten Unterlassungsansprüchen stets der Abgabe einer vertragsstrafeb...