a) Allgemeines
Rz. 4
Der erteilte Erbschein entfaltet im Rechtsverkehr die sog. Vermutungswirkung des § 2365 BGB über die Richtigkeit des Erbscheins. Es wird vermutet, dass demjenigen, welcher im Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Das materielle Erbrecht wird davon jedoch nicht beeinflusst. Zum einen ändert ein unrichtig erteilter Erbschein nichts an der tatsächlichen materiellen Rechtslage und zum anderen ist das Zivilgericht im Prozess über das Erbrecht weder an einen bestimmten Erbschein gebunden, noch kann ein Erbschein als Beweismittel dienen. Umgekehrt bindet jedoch die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Zivilgerichts das Nachlassgericht bei der Erteilung eines Erbscheins.
Rz. 5
Daneben entfaltet der rechtswirksam erteilte Erbschein auch öffentlichen Glauben nach § 2366 BGB dahin gehend, dass derjenige, der auf der Basis eines erteilten und in Rechtskraft befindlichen Erbscheins rechtsgeschäftlich etwas von dem durch den Erbschein ausgewiesenen Erben erwirbt, in seinem guten Glauben an die Richtigkeit des ausgewiesenen Erbrechts geschützt wird. Nicht dadurch geschützt ist jedoch der gute Glaube, wonach ein bestimmter Gegenstand tatsächlich zum Nachlass gehört; dies wird in der Praxis häufig falsch angenommen. Befinden sich mehrere sich widersprechende Erbscheine im Umlauf, so entfalten diese Erbscheine nur eine Wirkung i.S.v. §§ 2365 und 2366 BGB in dem Maße, wie sie sich nicht widersprechen.
b) Bindungswirkung für das Grundbuchamt
Rz. 6
Der rechtswirksam erteilte Erbschein entfaltet seine Bindungswirkung auch gegenüber dem Grundbuchamt. Nach § 35 Abs. 1 GBO ist die Erbfolge dem Grundbuchamt primär durch die Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen. Das Grundbuchamt hat insofern keine eigenen Ermittlungspflichten bzgl. des durch den Erbschein festgestellten Erbrechts. Erkennt das Grundbuchamt jedoch inhaltliche Mängel des Erbscheins, die dessen Unwirksamkeit begründen würden, so sind diese Umstände vom Grundbuchamt zu berücksichtigen. Daneben kann sich das Grundbuchamt nach § 35 Abs. 1 S. 2 GBO auch mit der Vorlage einer in einer öffentlichen Urkunde festgehaltenen Verfügung von Todes wegen oder einer Abschrift eines Protokolls über die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen begnügen. Es ist dabei jedoch zu beachten, dass für den Fall, dass ein Erwerber von einem Veräußerer (Erben) erwirbt, der keinen Erbschein, sondern nur ein notarielles Testament vorlegt, die Rechtsvermutung des § 2365 BGB, die nur dem Erbschein zugutekommt, nicht zur Anwendung kommt und darüber hinaus auch ein gutgläubiger Erwerb nach § 2366 BGB ausscheidet. Dem Erwerber ist also stets zu empfehlen, vor der Kaufpreiszahlung den Nachweis der Grundbuchberichtigung nach § 892 BGB zu fordern.