I. Geltungsbereich und Regelungsgehalt
Rz. 160
In Kapitel VI der EuErbVO ist das europäischen Nachlasszeugnis geregelt. Damit soll die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung erleichtert werden. Das Zeugnis kann neben einem nationalen Erbschein erteilt werden, Art. 62 Abs. 2 EuErbVO. Es soll Angaben zum Gericht, zum Erblasser, zum Antragsteller, zu den Erben und deren Quoten, zu Vorbehalten bei der Erbschaftsannahme, zu Nachlassgegenständen, die einem bestimmten Erben oder Vermächtnisnehmer zustehen und zur Stellung eines Testamentsvollstreckers bzw. eines sonstigen Verwalters enthalten. Es kann auch angegeben werden, zu welchen Handlungen der Testamentsvollstrecker berechtigt ist.
Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach Inkrafttreten der EuErbVO zum 17.8.2015 nach Art. 4 ff. EuErbVO. Demnach ist primär auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers abzustellen.
II. Europäisches Nachlasszeugnis
Rz. 161
Mit dem Europäischen Nachlasszeugnis, Art. 62–73 EuErbVO, wurde erstmals ein einheitliches Nachlasszeugnis für die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle geschaffen. Das Europäische Nachlasszeugnis hat Legitimationswirkung und vermittelt Gutglaubensschutz. Das Nachlasszeugnis tritt alternativ neben den deutschen Erbschein nach §§ 2353 ff. BGB sowie das Testamentsvollstreckerzeugnis nach § 2368 BGB. Grundsätzlich ist die Wirksamkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses auf sechs Monate beschränkt, Art. 70 Abs. 3 EuErbVO. Eine Einziehungsmöglichkeit wie beim Erbschein ist nicht vorgesehen.
Rz. 162
Inhalt des Zeugnisses:
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anwendbares Recht |
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Art und Weise der Berufung |
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Person des Erben bzw. des Testamentsvollstreckers |
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Erbquoten |
Dem Zeugnis kommen nahezu die gleichen Gutglaubenswirkungen wie einem deutschen Erbschein zu:
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Vermutungswirkung, Art. 69 Abs. 2 EuErbVO: Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass der im Zeugnis Ausgewiesene zur Rechtsnachfolge berechtigt bzw. mit den im Erbschein ausgewiesenen Befugnissen ausgestattet ist und keine anderen Verfügungsbeschränkungen als die im Zeugnis ausgewiesenen bestehen. |
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Gutglaubenswirkung, Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO: Wird an dem im Zeugnis Ausgewiesenen gutgläubig eine Leistung bewirkt, so wird der Leistende befreit. Ebenso kann ein Dritter von dem Ausgewiesenen gutgläubig erwerben. |
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Legitimationswirkung, Art. 69 Abs. 5 EuErbVO: Durch Vorlage des Zeugnisses erfolgt die Eintragung in ein öffentliches Register (z.B. Grundbuch). |
Das Erbrechtszeugnis kann berichtigt oder eingezogen werden, Art. 71 EuErbVO. Jeder Mitgliedstaat muss ein entsprechendes Rechtsmittelverfahren einrichten, Art. 72 EuErbVO.
Rz. 163
In Deutschland wurde ein Ausführungsgesetz, das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG), geschaffen. Die Rechtsmittel sind in den §§ 43, 44 IntErbRVG geregelt und entsprechend weit gehend in den §§ 58 ff. FamFG.