1. Ermittlungen von Amts wegen
Rz. 48
Das Nachlassgericht hat nach § 26 FamFG die Pflicht, nach Eingang des Erbscheinantrags sämtliche erforderlichen Tatsachen zu ermitteln. In Bayern hingegen hat das Nachlassgericht sogar ohne Vorliegen eines Erbscheinantrags die Pflicht, die Erben zu ermitteln, Art. 37 Abs. 1 BayAGGVG.
Was die Form der Beweisaufnahme anbelangt, ist § 29 FamFG im Zusammenhang mit § 30 FamFG zu lesen.
2. Freibeweis/Strengbeweis
Rz. 49
Ob das Nachlassgericht zur Ermittlung einer Tatsache den Frei- oder den Strengbeweis wählt, ist dem Gericht nach § 29 FamFG freigestellt. Im Freibeweisverfahren lässt sich, wenn Eile geboten ist, naturgemäß rascher eine notwendige Tatsache ermitteln, da der zuständige Richter bspw. durch einen Telefonanruf – also einer formlosen Anhörung – eine Tatsache ermitteln kann. Nach § 30 Abs. 1 FamFG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es sich zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO bedienen will. Allerdings ist in bestimmten Fällen eine förmliche Beweisaufnahme obligatorisch, § 30 Abs. 2 FamFG, z.B.
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in einzelnen Rechtsfürsorgeverfahren oder |
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bei Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen oder |
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wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung einer Tatsache, die im Freibeweisverfahren streitig geblieben ist, stützen will und die Richtigkeit der Tatsache von einem Beteiligten ausdrücklich weiter bestritten wird, § 30 Abs. 3 FamFG. |
Eine subjektive Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast ist nicht gegeben. Hingegen existiert eine objektive Beweislast (Feststellungslast) in dem Fall, wenn eine Tatsache nicht mehr aufklärbar ist: jeder Beteiligte trägt die Beweislast für die Voraussetzungen einer ihm günstigen Norm.
Wesentliche Unterschiede zwischen Frei- und Strengbeweis sind folgende:
Rz. 50
Beim Strengbeweis gelten folgende gesetzlichen Grundlagen:
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Zeugenaussagen können durch Zwangsmittel erzwungen werden, §§ 380, 390 ZPO; |
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Beweisunmittelbarkeit (die Beweisaufnahme hat vor dem Nachlassgericht zu erfolgen); |
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das Nachlassgericht darf nur in der in den §§ 355 ff. ZPO geregelten Form Beweismittel in das Verfahren einführen; |
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es sind nur die in §§ 371 ff. ZPO abschließend aufgeführten Beweismittel zulässig. |
Rz. 51
Der Freibeweis nach § 284 S. 2 ZPO erlaubt dem Nachlassgericht, in Abweichung der Formpflichten der ZPO, Beweise unmittelbar zu erheben, wie zum Beispiel:
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Beiziehen von Akten; |
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Befragung von Beteiligten oder Zeugen; |
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Einholung telefonischer Auskünfte bei den Beteiligten. |
3. Verfahrensrechtliche Ermittlungen
a) Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Rz. 52
Das Nachlassgericht hat zunächst zu prüfen, ob es sachlich und örtlich zuständig ist, sofern sich Anhaltspunkte ergeben, die daran Zweifel erscheinen lassen. Kommt z.B. die Höfeordnung zur Anwendung, könnte nach § 18 Abs. 1 HöfeO das Landwirtschaftsgericht sachlich und örtlich zuständig sein. Für den Fall, dass der Sachverhalt Auslandsberührung hat, könnte auch die internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts gegeben sein. Um dies ermitteln zu können, muss das Nachlassgericht zunächst eine Feststellung darüber treffen, wo der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt bzw. welche Staatsangehörigkeit er hatte, Art. 4, 21, 22 EuErbVO.
b) Gewillkürtes Erbrecht/Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen/Testierfähigkeit
aa) Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen
Rz. 53
Das Nachlassgericht hat die Echtheit der Urkunde zu ermitteln und deren Auslegung vorzunehmen. Insbesondere, wenn ein Testament nicht mehr in Urschrift vorhanden ist, stellt sich die Frage, welche Ermittlungen das Nachlassgericht anstellen muss. Der Beweis des Vorhandenseins eines Testaments und dessen Inhalt können mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden. Derjenige, der sich auf ein verschwundenes Testament beruft, hat dabei die Beweislast für das Vorhandensein und den gesamten Inhalt. Das Nichtmehrvorhandensein eines Testaments muss nicht bedeuten, dass dieses vom Erblasser selbst vernichtet wurde, sondern es kann eben gerade sein, dass das Testament aus sonstigen Gründen untergegangen ist. Dieses zu beweisen, obliegt dem Antragsteller.
Rz. 54
Die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen bedarf häufig auch erheblicher Ermittlungen durch das Nachlassgericht, denn in der Praxis sind die vom Erblasser getroffenen Verfügungen sehr unpräzise und dadurch auslegungsbedürftig. Ebenso häufig ist auch die Frage der Echtheit einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen Gegenstand der Ermittlungen des Nachlassgerichts. Dieses kann deshalb gleichfalls ein Gutachten über die Echtheit eines Testaments durch einen Schriftgutachter in Auftrag geben. Das Nachlassgericht hat dabei im Rahmen seiner Beweiswürdigung für den Fall, dass mehrere differierende Schriftgutachten vorliegen, festzustellen, auf welches Schriftgutachten es seine Entscheidung stützt. Das Nachlassgericht hat auch im Fall des Vorliegens von mehreren datumsgleichen Testamenten eine Feststellung zu treff...