Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Unterhaltstatbestände
Rz. 342
Das derzeit gültige Gesetz enthält acht Unterhaltstatbestände, von denen zunächst diejenigen der §§ 1570–1572 BGB (Betreuung/Alter/Krankheit) zu prüfen sind. Die übrigen Unterhaltstatbestände sind, wie sich aus dem Wortlaut der §§ 1573 Abs. 1 und 2, 1576 BGB ergibt, subsidiär. § 1575 BGB betrifft einen Sonderfall. Soweit jedoch nach §§ 1570–1572 BGB nur eine Teilerwerbstätigkeit verlangt werden kann, kommt zusätzlich allerdings ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht.
Die Unterhaltstatbestände sind enumerativ aufgeführt. Nicht in der Reihenfolge des Gesetzes, sondern der Praxis sind dies:
Ungeachtet der Aufspaltung auf einzelne Tatbestände ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch prozessual zunächst immer ein einheitlicher Anspruch. Ein Beschluss umfasst im Zweifel alle Tatbestände der §§ 1570 ff. BGB. Das gilt selbst bei abweisenden Beschlüssen. Ein im Unterhaltsverfahren unerörtert gebliebener Unterhaltstatbestand kann deshalb nur unter den besonderen Voraussetzungen eines Abänderungsverfahrens geltend gemacht werden.
Bei abweisenden Beschlüssen ist selbstverständlich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nur ein neues Erstverfahren möglich.
Beachten!
Die Gesetzesbestimmung, aus der ein Anspruch abgeleitet wird, sollte deshalb sowohl in einem Unterhaltsantrag als auch in einer Vereinbarung festgehalten werden.
b) Einsatzzeitpunkte
Rz. 343
Besonders zu beachten sind die sog. Einsatzzeitpunkte. Auf diese Zeitpunkte ist abzustellen bei der Prüfung, ob ein Anspruch besteht. Nur wenn zu einem der Einsatzzeitpunkte die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs erfüllt sind, also noch innerhalb eines von der ehelichen Mitverantwortung erfassten Zeitraums, kann der Schuldner das Lebensrisiko des Gläubigers über die Unterhaltspflicht mittragen müssen. Treten die Voraussetzungen erst später ein, ist der Schuldner nicht mehr in der wirtschaftlichen Mitverantwortung und braucht keinen Unterhalt zu zahlen (Beispiele: Krankheit oder Arbeitslosigkeit, die erst nach Scheidung, Kindererziehung usw. eintritt; in besonderen Ausnahmefällen kommt Billigkeitsunterhalt gemäß § 1576 BGB in Betracht; siehe Rdn 458).
c) Dauer der Ehe und der Trennung
Rz. 344
Die Dauer der Ehe kann insofern eine entscheidende Rolle spielen, als zu prüfen ist, inwieweit der Berechtigte durch die Ehe eine Unterbrechung seiner Arbeitstätigkeit vorgenommen hat. Je länger diese Unterbrechung gedauert hat, desto mehr muss dies bei der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und bei der Gesamtbewertung eine Rolle spielen. Umgekehrt gilt: Je kürzer die Ehedauer, desto eher besteht eine Erwerbsobliegenheit. Aber auch bei Ehen von langer Dauer i.S.d. § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB, also von etwa mehr als 20 Jahren, scheidet eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht aus, sofern keine fortwirkenden ehebedingten Nachteile vorliegen.
Rz. 345
Wie die Dauer der Ehe spielt auch die Dauer der Trennung für die Frage der Erwerbsobliegenheit eine wichtige Rolle. Je länger die Trennung dauert, desto geringer wird das Vertrauen in den Fortbestand der Ehe sein. In der Regel wird man während des ersten Trennungsjahres keine Erwerbsobliegenheit annehmen können. Sie setzt in der Regel erst nach Ablauf des ersten Trennungsjahres ein.
Vor Ablauf des Trennungsjahres kann eine Erwerbsobliegenheit angenommen werden, wenn besondere Umstände die endgültige Trennung und künftige Scheidung der Ehepartner nahelegen. Haben die Eheleute z.B. eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen, ist dies ein Indiz für das endgültige Scheitern der Ehe. Gleichwohl wird es darauf ankommen, ob diese (notarielle) Vereinbarung sehr früh nach Beginn des Trennungsjahres oder im letzten Teil der einjährigen Trennung abgeschlossen wurde. Bei sehr früher Vereinbarung über die Trennungs- und Scheidungsfolgen kann es durchaus noch im Verlauf des Trennungsjahres zu einer Sinneswandlung kommen, die in eine Versöhnung und Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mündet.
Stellt der unterhaltsbedürftige Ehegatte kurz vor Ablauf des Trennungsjahres mit Zustimmung des Ehepartners Scheidungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Ehe endgültig gescheitert ist und der unterhaltsbedürftige Ehegatte verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
d) Kinder
Rz. 346
Wenn betreuungsbedürftige gemeinsame Kinder bei einem Elte...