Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 248
Das Unterhaltsrecht ist geprägt von Strukturen und Grundsätzen, die bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit in bestimmten Lebenssituationen Unterhalt verlangt bzw. gezahlt werden muss, immer zu beachten sind. Dabei gilt grundsätzlich: Allein die familiären Verhältnisse, wie die Ehe oder die Verwandtschaft in gerader Linie, begründen noch keine Unterhaltspflichten. Unterhaltspflichten sind noch von weiteren Tatbestandsvoraussetzungen abhängig. Unterhaltsansprüche können sich dementsprechend auch im Bereich des Ehegattenunterhalts nur ergeben, wenn ein bestimmter Unterhaltstatbestand erfüllt ist.
Abgesehen von den speziellen Voraussetzungen einzelner Unterhaltstatbestände existieren einige Strukturelemente, die bei allen Unterhaltstatbeständen gegeben sein müssen. Das sind der Bedarf und die Unterhaltsbedürftigkeit der Berechtigten sowie die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Nichtvorliegen von Ausschlusstatbeständen (wie z.B. Begrenzung, Befristung, Verwirkung).
Rz. 249
Die Vorgehensweise bei der Berechnung von Ehegattenunterhaltsansprüchen folgt einer im Wesentlichen übereinstimmenden Grundstruktur. Dabei ist die nachfolgende Prüfungsreihenfolge bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts stets einzuhalten.
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Unterhaltstatbestand |
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Bedarf nach ehelichen Lebensverhältnissen; ehelicher Lebensstandard als Maßstab und Höchstgrenze des Unterhalts |
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Bedürftigkeit des Berechtigten |
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Leistungsfähigkeit des Verpflichteten |
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Ausschlussgründe; Befristung, Begrenzung, Verwirkung, Vergleich, Verzicht |
Dabei gehören die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten insofern zueinander, als aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz die Möglichkeit der beiderseitigen Bedarfsdeckung folgt. Nach diesem, vom BGH als "Waffengleichheit" beschriebenen Prinzip hat u.a. die Anrechnung von Vorteilen, Erträgnissen und von fiktiven Einkünften aus zumutbarer Arbeit beim Berechtigten in gleicher Weise zu bestehen wie beim Verpflichteten.
Rz. 250
Eine der wesentlichen Wirkungen der Eheschließung besteht in der unmittelbar daraus erwachsenden Verpflichtung der Eheleute, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten, § 1360 S. 1 BGB. In der Gestaltung der Ehe, in der Aufteilung von außerhäuslicher Arbeitstätigkeit und Erfüllung häuslicher Pflichten und in der Verteilung der Betreuungsaufgaben für etwaige gemeinsame oder Kinder eines einzelnen Ehegatten sind die Partner frei.
Leben Ehepartner – vielleicht auch nur vorübergehend – voneinander getrennt, so kann ein Ehegatte entsprechend der Aufteilung während der Eheführung, also nach "den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen" Unterhalt verlangen, § 1361 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB. Dies gilt unabhängig davon, ob die Eheleute zu Beginn der Trennung gewillt sind, während der Trennungszeit zu überlegen, ob die Ehe vielleicht doch wieder aufgenommen werden könnte. Unmittelbar nach Trennung bleibt ungewiss, ob das Getrenntleben zur Scheidung führt oder ob es zu einer Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt. Anders als die Vorschriften zum nachehelichen Unterhalt, §§ 1569 ff. BGB, sind die Regelungen zum Getrenntlebensunterhalt deshalb nicht auf einen Dauerzustand gerichtet, sondern sind vom Bemühen getragen, die Trennung nicht zu vertiefen. Die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Ehe soll nicht erschwert werden.
Mit Scheidung der Ehe gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung der früheren Eheleute, § 1569 BGB. Unterhalt kann nach den nachfolgenden Vorschriften verlangt werden, wenn ein Ehepartner dazu außerstande ist, § 1569 S. 2 BGB.
Rz. 251
Damit unterscheidet das Gesetz drei selbstständige Bereiche für Unterhaltsansprüche von Ehegatten gegeneinander:
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Familienunterhalt gemäß §§ 1360, 1360a BGB, d.h. der Unterhaltsanspruch in ehelicher Lebensgemeinschaft lebender Ehegatten; |
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Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB, d.h. der Unterhaltsanspruch in Trennung lebender Ehegatten; |
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nachehelicher Unterhalt gemäß § 1569 ff. BGB, d.h. der Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten. |
Rz. 252
Die drei unterschiedlichen Lebenssituationen haben zu unterschiedlicher Ausprägung von Unterhaltsansprüchen und zu unterschiedlichen Verfahrensschritten geführt:
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Unterhaltsansprüche müssen für die einzelnen Zeiträume gesondert und neu geltend gemacht werden. |
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Auskunftsansprüche bestehen für jeden Bereich gesondert, da die Ansprüche nicht identisch sind. Daher besteht auch die Zeitschranke des § 1605 Abs. 2 BGB nicht, wonach hinsichtlich – desselben – Unterhaltsanspruchs Auskunft vor Ablauf von zwei Jahren nur dann verlangt werden kann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat. |
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Die verschiedenen Unterhaltsarten stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar. Unabhängig von einer – gewählten – Reihenfolge kann deshalb insoliert Trennungsunterhalt einerseits und nachehelich... |