Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 438
Die nacheheliche Verantwortung der Ehegatten füreinander erstreckt sich auch auf altersbedingte Problemlagen. Ist wegen Alters eine Erwerbstätigkeit unzumutbar, besteht unter den Voraussetzungen des § 1571 BGB unter Berücksichtigung bestimmter Einsatzzeitpunkte ein Unterhaltsanspruch. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich nicht nur dann, wenn der Ehegatte während der Ehe oder nach Scheidung der Ehe alt geworden ist, sondern auch dann, wenn die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden ist, in welchem altersbedingt keine Erwerbstätigkeit mehr zumutbar war. Die altersbedingte Bedürfnislage muss daher nicht ehebedingt sein.
Rz. 439
Ein Ehegatte kann allerdings dadurch bedürftig werden, dass bei Scheidung der Ehe der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist und sich nunmehr ein Einkommensgefälle gegenüber dem anderen – früheren – Ehegatten ergibt.
Dies führt nicht zur Begründung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1571 BGB, da die grobe Unbilligkeit des Ergebnisses im Falle der – vollständigen – Durchführung des Versorgungsausgleichs im Rahmen des § 27 VersAusglG geltend zu machen ist.
Die Maßstäbe sind allerdings streng. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche.
Bei Ehen langjähriger Dauer sollte allerdings im Einzelfall ein großzügigerer Maßstab in Betracht kommen.
Es bestehen drei Voraussetzungen für den Anspruch aus § 1571 BGB:
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Der Berechtigte hat das im Einzelfall maßgebliche Alter erreicht. |
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Aus Altersgründen ist vom Berechtigen keine angemessene Erwerbstätigkeit mehr zu erwarten. |
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Einer der im Gesetz genannten Einsatzzeitpunkte liegt vor. |
aa) Altersgrenze
Rz. 440
Auch wenn der Begriff Alter keine festen Grenzen enthält, ist der Tatbestand auf jeden Fall zu bejahen, wenn das Rentenalter erreicht ist, Altersrente bezogen wird. Dies gilt in den Fällen des § 38 SGB VI (65. Lebensjahr oder Wartezeit von 45 Jahren erfüllt) ebenso wie in den Fällen des § 36 SGB VI (67. Lebensjahr oder Wartezeit von 35 Jahren erfüllt). Für die Zeit vorher ist in einer Einzelfallprüfung die Prüfung der Angemessenheit gem. § 1574 Abs. 1, 2 BGB vorzunehmen, subjektiv nach den fünf Kriterien
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berufliche Ausbildung, |
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bei Scheidung vorhandene Fähigkeiten, |
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Gesundheitszustand, |
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Alter und schließlich |
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eheliche Lebensverhältnisse (Dauer der Ehe und Kindesbetreuung). |
Rz. 441
Eine arbeitsvertragliche Vorruhestandsregelung ist unschädlich, wenn sich dadurch das Einkommen der Berechtigten nicht verändert. Nimmt der Arbeitnehmer ein Altersteilzeitmodell – verbunden mit geringeren Einkünften – in Anspruch, kann dies eine Obliegenheitspflichtverletzung i.S.d. § 1574 Abs. 1, 2 BGB sein. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich der Berechtigte erst nach Trennung und/oder Scheidung ohne besondere, im Einzelfall zu prüfende Gründe hierfür entscheidet. Anderes gilt dann, wenn die Entscheidung zur Altersteilzeit gemeinsam mit dem Ehepartner getroffen worden ist oder aber gesundheitliche Gründe beim Berechtigten zur – krankheitsbedingten – Verminderung der Erwerbstätigkeit zwingen. Ist z.B. ein zu 50 % schwerbehinderter Unterhaltsberechtigter im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten, ist eine Erwerbstätigkeit nicht (mehr) zu erwarten. Es besteht dann ein Anspruch auf Altersunterhalt.
Rz. 442
Besondere Altersgrenzen für bestimmte Berufsgruppen, z.B. für Piloten und Soldaten, bestimmen sich ausschließlich nach dem öffentlichen Interesse. Davon unabhängig ist allein unterhaltsrechtlich zu bewerten, ob neben dem Rentenbezug eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann oder ob diese etwa wegen körperlichen Verschleißes ausscheidet.
bb) Einsatzzeitpunkt
Rz. 443
Weitere Voraussetzung zur Erlangung von Altersunterhalt nach § 1571 BGB ist das Vorliegen einer Einsatzzeit nach § 1571 Nr. 1–3 BGB, also Scheidung, Beendigung der Kindesbetreuung oder Wegfall des Unterhaltsanspruchs nach §§ 1572, 1573 BGB.
Es muss eine geschlossene "Anspruchskette" im Sinne des durchgehenden Fehlens einer Erwerbsobliegenheit vorliegen. Entweder muss bereits zum Scheidungszeitpunkt eine altersbedingte Erwerbsunfähigkeit vorliegen oder aber eine Erwerbsunfähigkeit zu den späteren Zeitpunkten der Beendigung der Pflege oder der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1572, 1573 BG...