Rz. 451

Da der Ausbildungsunterhalt in der Praxis nur geringe Bedeutung hat, erfolgen hier lediglich einige Hinweise auf die Rechtslage.

a) Ausbildungsunterhalt nach § 1574 Abs. 3 i.V.m. § 1573 Abs. 1 BGB

 

Rz. 452

§ 1574 Abs. 3 BGB normiert die Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, soweit dies zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Dabei muss ein erfolgreicher Abschluss zu erwarten sein. An die Stelle der ansonsten bestehenden Erwerbsobliegenheit tritt die Ausbildungsobliegenheit.[785] Diese Obliegenheit unterscheidet den Sachverhalt vom Anspruch auf Ausbildung nach § 1575 BGB.

Folgt der Berechtigte der Ausbildungsobliegenheit gem. § 1574 Abs. 3 BGB, steht ihm gem. § 1573 Abs. 1 BGB für die Dauer der Ausbildung ein Anspruch auf Unterhalt zu.

Der einschränkende Wortlaut des § 1574 Abs. 3 BGB, wonach die Ausbildung zu einer angemessenen Erwerbsmöglichkeit führen muss, grenzt sinnvolle Ausbildung von Ausbildungen "zum Vergnügen" ab.[786]

Ausbildungsunterhalt ist danach unter folgenden Voraussetzungen zu zahlen:

Erforderlichkeit der Ausbildung zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit;
Erwartung eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses;
realistische Chance einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach Ausbildungsabschluss.
[785] BGH FamRZ 2001, 350; OLG Saarbrücken FamRZ 2008, 411.

b) Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB

 

Rz. 453

Hat ein – nunmehr geschiedener – Ehegatte in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen, besteht ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 Abs. 1 BGB, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung so bald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, erlangen zu können, und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch auf eine solche Ausbildung soll dazu führen, ehebedingte Ausbildungsnachteile[787] auszugleichen.

Die Zahl derjenigen, die im Hinblick auf eine Eheschließung ihre Ausbildung gar nicht aufgenommen haben oder die ihre Ausbildung aufgrund der (zukünftigen) Ehe abgebrochen haben, dürfte im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung abgenommen haben. Dies liegt zum einen am gestiegenen Alter zum Zeitpunkt der Eheschließung, aber auch daran, dass die in früheren Jahrhunderten geltende Vorstellung, die zukünftige Ehe sichere den Unterhalt und die Existenz auf Dauer, keinen Bestand mehr in der Vorstellungswelt junger Menschen hat – zumindest im europäischen Kulturkreis.

 

Rz. 454

Der Ausbildungsanspruch des § 1575 BGB setzt nicht voraus, dass der geschiedene Ehegatte ohne die Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden in der Lage wäre.[788] Der ausbildungswillige (frühere) Ehegatte kann eine Statusverbesserung anstreben, wenn er diese ohne die Eheschließung erreicht hätte. Gegenüber den ehelichen Lebensverhältnissen kann daher eine Niveausteigerung angestrebt sein.[789]

Die Einschränkung im Wortlaut des § 1575 Abs. 1 BGB, wonach die Ausbildung zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit führen muss, grenzt die Verpflichtung zur Unterstützung durch den Pflichtigen dahingehend ein, dass dieser kein Studium finanzieren muss, das nicht zu dem Ziel der angemessenen Erwerbstätigkeit führen kann, z.B. vorrangig dem Vergnügen dient.[790]

[788] BGH FamRZ 1987, 795; OLG Saarbrücken FamRZ 2008, 411.
[789] BGH FamRZ 1985, 782.
[790] BGH FamRZ 1987, 795; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 120.

c) Vorrang des Anspruchs nach § 1575 BGB

 

Rz. 455

Neben dem Anspruch nach § 1575 BGB kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach §§ 1574 Abs. 3, 1573 Abs. 1 BGB bestehen. Der Anspruch nach § 1575 BGB ist jedoch in jedem Fall vorrangig, da für die Dauer der Ausbildung keine Erwerbsobliegenheit besteht, die § 1573 Abs. 1 BGB grundsätzlich voraussetzt.

Erst die Erwerbsobliegenheit kann zu einem Unterhaltsanspruch nach §§ 1574 Abs. 3, 1573 Abs. 1 BGB führen, weil in diesem Fall eine Ausbildung notwendig ist, um eine angemessene Erwerbstätigkeit überhaupt ausüben zu können.[791]

Beide Ansprüche können gleichzeitig gegeben sein, wenn die Ausbildung sowohl erforderlich ist, um ehebedingte Nachteile auszugleichen, als auch, um nach Ausbildungsabschluss eine angemessene Erwerbstätigkeit finden zu können.

Schließt der Berechtigte die Ausbildung nach § 1575 BGB ab und findet er keine seinem Ausbildungsniveau entsprechende berufliche Tätigkeit, besteht ein Anspruch auf Erwerbslosigkeitsunterhalt, § 1575 Abs. 1, Abs. 3 BGB. Letztlich kann sich in solchen Fällen ein weiterer Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach §§ 1574 Abs. 3, 1573 Abs. 1 BGB ergeben, wenn ohne zusätzliche Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden ist.

[791] Dazu Borth, FPR 2008, 341, 344.

d) Dauer des Anspruchs

 

Rz. 456

Der Anspruch besteht nur für die übliche Dauer einer[792] Ausbildung und endet nach dieser üblichen Dauer unabhängig davon, ob die Ausbildung beendet ist.[793] Fragen der Befristung des Unterhalts gemäß § 1578b BGB stellen sich wegen dieser von vornherein nur eingeschränkten Dauer des Anspruchs nicht; eine...

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