Rz. 458

Weil auch § 1576 BGB in der Praxis nur geringe Bedeutung hat, erfolgen hier ebenfalls lediglich einige Hinweise auf die Rechtslage.

a) Anspruchsvoraussetzungen

 

Rz. 459

Nach § 1576 BGB kann so weit und so lange vom anderen geschiedenen Ehegatten Unterhalt verlangt werden, wie aus "sonstigen schwerwiegenden Gründen" eine Erwerbstätigkeit nicht oder nicht in vollem Umfange erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider früherer Ehegatten grob unbillig wäre.

Die positive Billigkeitsklausel des § 1576 BGB soll Ausnahmefälle von Bedürftigkeit erfassen, die nicht unter die Vorschriften der §§ 1570 bis 1575 BGB fallen. Sie ist diesen Vorschriften daher subsidiär und nur ausnahmsweise in Härtefällen anzuwenden.[794]

Unterhalt aus Billigkeitsgründen kann unter drei Voraussetzungen beansprucht werden:

Vorliegen eines (sonstigen) schwerwiegenden Grundes;
wegen des schwerwiegenden Grundes ist eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur teilweise zu erwarten;
die Versagung des Unterhalts ist grob unbillig.
 

Rz. 460

Schwerwiegende Gründe müssen nicht ehebedingt sein.[795] Die Gründe müssen auch zum Verhalten des in Anspruch genommenen Ehegatten keinen sachlichen Bezug aufweisen.[796] Die Gründe müssen jedoch in ihrer Bedeutung den Tatbeständen der §§ 1570 ff. BGB vergleichbar sein.

Auch wenn die schwerwiegenden Gründe nicht ehebedingt sein müssen, bildet die Ehebedingtheit einen wesentlichen Anhaltspunkt dafür, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, der die Versagung des Unterhalts grob unbillig macht.[797]

Die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruches nach § 1576 BGB trägt absoluten Ausnahmecharakter. Die Versagung des Unterhalts muss daher dem Gerechtigkeitsempfinden in ganz erheblicher Weise widersprechen.[798]

[794] BGH FamRZ 1983, 800; BGH FamRZ 1984, 361.
[796] BGH FamRZ 1983, 800; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 104.
[797] OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 1449.
[798] BGH FamRZ 1983, 800: In nahezu unerträglicher Weise.

b) Beispiele

 

Rz. 461

Man kann an § 1576 BGB denken z.B. bei

Betreuung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes (voreheliches Kind eines Beteiligten oder Pflegekind);[799]
Betreuung eines nahen, finanziell nicht leistungsfähigen Verwandten eines Beteiligten aus moralischer Verpflichtung;
Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB erst nach den jeweiligen Einsatzzeitpunkten (z.B. Wegfall eines i.S.d. § 1573 Abs. 4 BGB nachhaltig gesichert gewesenen Arbeitsplatzes), wenn der Gläubiger in der Ehe außergewöhnliche Leistungen für den Schuldner erbracht hatte.[800]
[799] BGH FamRZ 1983, 800; aber auch BGH FamRZ 1984, 769 und OLG Hamm FamRZ 1996, 1417. Anders OLG Koblenz NJW-RR 2005, 802.
[800] BGH FamRZ 1990, 469; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 821.

c) Höhe und Dauer

 

Rz. 462

Wenn die Voraussetzungen des § 1576 BGB ausnahmsweise erfüllt sind, ist im Rahmen der Billigkeitsüberlegungen zu prüfen, in welcher Höhe und für welche Dauer der Unterhalt zugesprochen werden kann. Auch in diesem Zusammenhang muss bedacht werden, dass § 1576 BGB einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand darstellt.

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