Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 332
Wenn neben dem laufenden, üblichen Lebensbedarf besondere Kosten entstehen, kann der Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Zahlungen verlangen. Die Rechtslage unterscheidet sich danach, ob die Mehrkosten unregelmäßig (dann Sonderbedarf) oder ständig (dann dauernd erhöhter Bedarf) anfallen.
Selbst wenn sich der Schuldner nicht in Zahlungsverzug befand und auch nicht zur Einkommensauskunft aufgefordert worden war, kann Sonderbedarf gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB noch bis zu einem Jahr nach seiner Entstehung geltend gemacht werden. War der Schuldner zur Einkommensauskunft aufgefordert worden oder durch Zahlungsmahnung in Verzug geraten, kann auch älterer Sonderbedarf noch verlangt werden; das Gleiche gilt, wenn der Anspruch aus rechtlichen oder aus dem Schuldner zuzurechnenden tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Rz. 333
Beachten!
Die Sonderregel des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB gilt nicht für dauernd erhöhten Bedarf. Insoweit muss also, wenn der Untergang des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1613 Abs. 1 BGB verhindert werden soll, der Schuldner zur Einkommensauskunft aufgefordert, zur Zahlung gemahnt oder verklagt werden.
Rz. 334
Sofern bereits ein Unterhaltstitel existiert und Sonderbedarf anfällt, wird dieser mit einem isolierten Zahlungsantrag geltend gemacht. Ergibt sich jedoch nach Erlass eines Unterhaltstitels ein erhöhter Dauerbedarf, muss ein Abänderungsantrag gemäß §§ 238, 239 FamFG gestellt werden. Eine rückwirkende Abänderung ist gemäß §§ 238 Abs. 3 S. 2 FamFG, 1613 Abs. 1 BGB auch bei einer Unterhalts-Endentscheidung möglich, und zwar bei allen Titeln ab dem Anfang des Monats, in dem der Schuldner die Mahnung oder das ausdrücklich auf den Unterhalt bezogene Auskunftsverlangen erhalten hat; bei einem Herabsetzungsantrag kann eine Abänderung gemäß § 238 Abs. 3 S. 3 und 4 FamFG für die Zeit ab dem Monatsanfang nach Zugang des vom Schuldner ausgehenden Auskunfts- oder Verzichtsverlangens verlangt werden, jedoch längstens für ein Jahr vor Rechtshängigkeit.
Rz. 335
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Sonderbedarf (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) liegt vor, wenn
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unregelmäßig |
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über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Kosten anfallen, |
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die im Verhältnis zum laufenden Unterhalt außergewöhnlich hoch sind und |
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nicht vorhersehbar waren, so dass hierfür keine Rücklagen gebildet werden konnten. |
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Beispiele für Sonderbedarf:
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durch Krankenversicherung nicht gedeckte Kosten einer notwendigen ärztlichen Behandlung oder Kur |
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Umzugskosten ggf. |
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Bewerbungskosten ggf. |
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Urlaubskosten nein |
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Dauernd erhöhter Bedarf (oder Mehrbedarf) liegt vor, wenn
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regelmäßig |
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über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Kosten anfallen, |
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die nicht durch den normalen Unterhalt abgedeckt und |
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entweder notwendig oder jedenfalls angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vertretbar sind. |
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Beispiele für dauernd erhöhten Bedarf:
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Mehrkosten als Folge einer Behinderung |
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Dauerbehandlungskosten als Folge einer Erkrankung |
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medizinisch notwendige Diät |
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Kosten einer Heimunterbringung |
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Einzelfälle:
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Kosten der Konfirmation oder Kommunion sind kein Sonderbedarf, so der BGH, sondern Mehrbedarf, da die Kosten mit Beginn des entsprechenden Unterrichts voraussehbar waren. Nach anderer Ansicht, der zuzustimmen ist, können solche Kosten durchaus Sonderbedarf sein. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die laufende Unterhaltsrente so niedrig ist, dass sie die Bildung ausreichender Rücklagen von vornherein nicht erlaubt. |
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Eine Brille stellt keinen Sonderbedarf dar, wenn absehbar war, dass diese benötigt werde. |
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Die Erstausstattung eines Säuglings ist Sonderbedarf i.S.d. § 1613 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. |
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Ärztliche Behandlungskosten größeren Umfangs sind Sonderbedarf. |
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Eine plötzlich notwendige Zahnbehandlung ist Sonderbedarf, die lang andauernde kieferorthopädische Behandlung möglicherweise aber ebenfalls. |
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Kosten des Nachhilfeunterrichts sind dann Sonderbedarf, wenn sie überraschend oder nur vorübergehend anfallen. |
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Rz. 336
Die regelmäßigen zusätzlichen Aufwendungen aufgrund besonderer Umstände, also Mehrbedarf, können sein:
Ergibt sich aus gesundheitlichen bzw. Altersgründen beim Unterhaltsberechtigten ein Mehrbedarf, kann dieser nach den Grundsätzen für den ausbildungsbedingten Mehrbedarf geltend gemacht werden, sofern er konkret dargelegt und bewiesen wird.
Zuerkannt wird ausschließlich, was "medizinisch notwendig" ist.
Beispiel
Bei Erkrankung an Diabetes unterscheiden Gerichte bei der Verwendung von Nahrungsmitteln danach, ob diese wirklich medizinisch notwendig sind. So ist z.B. die Verwendung von Reformhausprodukten dem "Lifestyle" zuzurechnen.
Anerka...