Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Allgemeines
Rz. 683
Die früher in § 621 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO erwähnten Familiensachen befinden sich nunmehr in § 151 Nr. 1 bis 3 FamFG. Die in § 151 Nr. 4 bis 8 FamFG erwähnten weiteren Bereiche wir Vormundschaft, Pflegschaft, gerichtliche Bestellung eines Vertreters, Genehmigung bzw. Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen, sowie die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz unterliegen ebenfalls – nach Abschaffung des Vormundschaftsgerichts – der Zuständigkeit des großen Familiengerichts. Da – so die Begründung des Gesetzentwurfes – mit Erschaffung dieser umfassenden Vorschrift das Kind im Zentrum des Verfahrens stehen soll, sollen mit dieser Vorschrift Regelungen über die Verantwortung für die Person oder das Vermögen des Minderjährigen wie auch seine Vertretung getroffen werden.
Rz. 684
Für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes ist im Verfahren in Kindschaftssachen anders als in Familienstreitsachen von Bedeutung, dass das Gericht von Amtswegen einstweilige Anordnung gem. § 49 ff. FamFG treffen kann und – wie im Gesetz erwähnt – bei Kindeswohlgefährdung gem. § 157 Abs. 3 FamFG von Amts wegen überprüfen muss, inwieweit mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung einer solchen Gefährdung des Kindes begegnet werden kann.
Rz. 685
Des Weiteren kann das Gericht – wiederum von Amts wegen – dann, wenn in einer mündlichen Verhandlung zur Regelung des Aufenthalts des Kindes, zum Umgangsrecht oder zur Herausgabe des Kindes keine Einigung erzielt werden konnte, mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung erörtern. Hierzu ist das Gericht gem. den §§ 49, 51 Abs. 1 FamFG befugt, wonach die einstweilige Anordnung auch von Amts wegen – ohne Antrag – erlassen werden kann.
Dies dürfte allerdings für die reinen Antragsverfahren etwa auf Übertragung der elterlichen Sorge nach Getrenntleben (§ 1671 Abs. 1 BGB) und wohl auch für die Verfahren nach § 1632 BGB anders sein da hier wohl auch der Erlass der einstweiligen Anordnung einen Antrag voraussetzt. Vor Erlass der einstweiligen Anordnung soll allerdings das Gericht das betroffene Kind persönlich anhören.
Rz. 686
Die nachfolgend behandelten Bereiche betreffen
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die elterliche Sorge, |
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das Umgangsrecht, |
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die Kindesherausgabe. |
b) Einstweiliger Rechtsschutz im Bereich der elterlichen Sorge
aa) Allgemeines
Rz. 687
§ 151 Nr. 1 FamFG erfasst als Grundsatznorm alle Verfahren – und dies im weitesten Sinne –, die sich mit der Bestimmung der Person, ihrer Rechte oder Pflichten als Sorgeberechtigte befassen. Hierzu gelten jetzt also auch die früher in § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO geregelten Verfahren betreffend
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die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge eines Beteiligten für den anderen |
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Fragen bei Übernahme der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Partnern |
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Verfahren im Zusammenhang mit der Namensgebung des Kindes |
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Verfahren im Zusammenhang mit Fragen der religiösen Kindererziehung (§§ 2, 3, 7 RelKErzG) |
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Verfahren betreffend Fragen zur Ehemündigkeit (§ 1303 BGB) |
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Verfahren über die Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils etwa bei Fragen zum Wohnungswechsel, |
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Verfahren zu Verfügungsgenehmigungen gem. §§ 1643, 1645 BGB. |
Sind allerdings die Tatbestände in § 151 Nr. 2 bis 8 FamFG erfüllt, sind diese gegenüber Nr. 1 die spezielleren Vorschriften.
Rz. 688
Über § 151 Nr. 1 FamFG werden folglich nicht nur die Sachverhalte zu Fragen der "reinen elterlichen Sorge", sondern des weiteren Streitigkeiten in allen Angelegenheiten, welche für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, erfasst. Hier können also die Bereiche betroffen sein, welche in § 1628 S. 1 BGB angesprochen sind, nach welchem das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind übertragen kann.
Rz. 689
Unabhängig von dem bisher notwendigen Hauptsacheverfahren kann in allen diesen Fallbereichen unter Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes eine Klärung beim Familiengericht herbeigeführt werden, wobei hier folgende Bereiche betroffen sind:
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Einräumung der Mitsorge nicht miteinander verheirateter Eltern |
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Entzug des Sorgerechts bzw. Mitsorgerechts und Übertragung der alleinigen Sorge |
Andere Fälle sind über § 1628 BGB zu lösen, also beispielsweise:
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Übertragung des alleinigen Entscheidungsrechtes bei Aufenthaltsbestimmungsfragen |
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Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ausbildungsfragen |
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die Zustimmung zu ärztlichen Eingriffen |
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Streitigkeiten über Reisen, bei denen ein Elternteil seine Zustimmung verweigert Die Verweigerung kann hier auch die Erteilung eines Kinderausweises oder die Beschaffung eines Kindervisums, bei welchem beide Elternteile ihre Zustimmung erteilen müssen, betreffen. Ob hier Reisen mit Kindern im EG-Bereich als solche Angelegenheit "von erheblic... |