Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 212
Neben dem laufenden Bedarf können zusätzliche, besondere Kosten entstehen. Dann kann der Gläubiger ggf. neben dem laufenden Unterhalt zusätzliche Zahlungen verlangen. Die Rechtslage unterscheidet sich danach, ob die Mehrkosten unregelmäßig (dann Sonderbedarf) oder ständig (dann gesteigerter Dauerbedarf) anfallen.
Selbst wenn der Schuldner nicht zur Einkommensauskunft aufgefordert worden oder durch Zahlungsmahnung in Verzug geraten war, kann Sonderbedarf gemäß § 1613 Abs. 2 BGB noch bis zu einem Jahr nach seiner Entstehung geltend gemacht werden. War der Schuldner zur Einkommensauskunft aufgefordert oder zur Zahlung gemahnt worden, kann natürlich auch älterer Sonderbedarf noch verlangt werden; das gleiche gilt, wenn der Anspruch aus rechtlichen oder aus dem Schuldner zuzurechnenden tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Rz. 213
Beachten!
Die Sonderregel des § 1613 Abs. 2 BGB gilt nicht für dauernd erhöhten Bedarf. Insoweit muss also, wenn der Untergang des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1613 Abs. 1 BGB verhindert werden soll, der Schuldner unter Bezug auf den Unterhalt zur Auskunft aufgefordert oder zur Zahlung gemahnt oder es muss ein Unterhaltsantrag gestellt werden.
Rz. 214
Sofern bereits ein Unterhaltstitel existiert und dann Sonderbedarf anfällt, wird dieser mit einem isolierten Zahlungsantrag geltend gemacht. Ergibt sich jedoch nach Erlass eines Unterhaltstitels ein erhöhter Dauerbedarf, muss ein Abänderungsantrag gemäß §§ 238, 239 FamFG gestellt werden; eine rückwirkende Abänderung ist nicht nur bei einem gerichtlich protokollierten Vergleich oder einer sonstigen vollstreckbaren Vereinbarung möglich, sondern gemäß §§ 238 Abs. 3 S. 2 FamFG, 1613 Abs. 1 BGB auch Endentscheidung, und zwar bei allen Titeln ab dem Anfang des Monats, in dem der Schuldner die Mahnung oder das auf den Unterhalt bezogene Auskunftsverlangen erhalten hat. Bei einem Herabsetzungsantrag gilt das gemäß § 238 Abs. 3 S. 3 und 4 FamFG für die Zeit ab dem Monatsanfang nach Zugang des vom Schuldner ausgehenden Auskunfts- oder Verzichtsverlangens, jedoch längstens für ein Jahr vor Rechtshängigkeit.
Rz. 215
Sonderbedarf (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) liegt vor, wenn
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unregelmäßig |
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über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Kosten anfallen, |
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die im Verhältnis zum laufenden Unterhalt außergewöhnlich hoch sind und |
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nicht vorhersehbar waren, so dass hierfür keine Rücklagen gebildet werden konnten. |
Rz. 216
Beispiele für Sonderbedarf:
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Erstausstattung eines Säuglings |
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durch Krankenversicherung nicht gedeckte Kosten einer notwendigen ärztlichen Behandlung oder Kur |
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Klassenfahrt |
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Führerschein, soweit objektiv erforderlich |
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Erstkommunion oder Konfirmation, streitig |
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Nachhilfeunterricht unter Umständen |
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Schulbücher etc. nein |
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Urlaubskosten nein. |
Rz. 217
Dauernd erhöhter Bedarf (oder Mehrbedarf) liegt vor, wenn
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regelmäßig |
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über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Kosten anfallen, |
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die nicht durch den normalen Unterhalt abgedeckt und |
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entweder notwendig oder jedenfalls angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vertretbar sind. |
Rz. 218
Beispiele für dauernd erhöhten Bedarf:
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Mehrkosten als Folge einer Behinderung |
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Dauerbehandlungskosten als Folge einer Erkrankung |
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medizinisch notwendige Diät |
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schulische Mehrkosten (Internat, Privatschule, ggf. auch Nachhilfeunterricht bei langer Dauer) oder Kindergartenkosten. |
Ein Anspruch auf die Abdeckung eines Mehrbedarfs besteht, wenn bei einem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände zusätzliche Mittel für besondere Aufwendungen benötigt werden, die durch den Elementarbedarf nicht abgedeckt werden und deshalb zusätzlich zum Elementarbedarf als unselbstständige Unterhaltsbestandteile geleistet werden müssen.
Beachte:
Bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Einkommens sind Beträge des Mehrbedarfs vorweg abzuziehen.
Rz. 219
Soweit Sonderbedarf anfällt, muss der Schuldner diesen nicht zwingend neben dem laufenden Lebensbedarf des Gläubigers in voller Höhe tragen. Vielmehr ist der Sonderbedarf – besonders bei hohem Sonderbedarf und beengten wirtschaftlichen Verhältnissen – über einen gewissen Zeitraum verteilt vom Einkommen des Schuldners abzuziehen und der laufende Unterhalt sodann erst aus dem verbleibenden Einkommen zu ermitteln. Dem Gläubiger wird also im wirtschaftlichen Ergebnis eine Beteiligung am Sonderbedarf normalerweise zugemutet. In jedem Fall muss dem Schuldner nach Abzug des laufenden Unterhalts und des Sonderbedarfs die Hälfte seines unterhaltsrelevanten Einkommens verbleiben.