Rz. 296
Der getrenntlebende Ehegatte, der ein gemeinsames Kind oder gemeinsame Kinder betreut, ist nur in eingeschränktem Umfang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet.[486] Es ist individuell zu prüfen, ob in der konkreten Einzelfallsituation eine Erwerbstätigkeit neben der Kindes- oder Kinderbetreuung erwartet werden kann. Der ein Kind oder mehrere Kinder betreuende geschiedene Ehegatte kann sich deshalb bei der Begründung seines Unterhaltsanspruchs nicht darauf beschränken, die Zahl und das Alter der Kinder vorzutragen; er muss sich vielmehr – wenn es sich nicht um Kleinkinder im Alter von weniger als 3 Jahren handelt[487] – auch dazu erklären, ob eine Fremdbetreuung möglich oder warum sie unmöglich oder für das jeweilige Kind (etwa entwicklungs- oder krankheitsbedingt) unzumutbar ist. Nach § 1570 Abs. 1 S. 3 BGB ist ab einem Alter des jüngsten Kindes von 3 Jahren in der Regel die Fremdbetreuung in Anspruch zu nehmen. Deshalb muss vorsichtshalber sehr viel intensiver als früher auf den Umfang der Kinderbetreuung und darauf eingegangen werden, warum eine Fremdbetreuung der Kinder nicht oder nicht ausreichend möglich oder nicht zumutbar ist.[488]
Man wird aber auch zu berücksichtigen haben, was die Eltern vor der Trennung dazu vereinbart hatten, ob und ggf. wann eine Fremdbetreuung des gemeinsamen Kindes in Anspruch genommen werden solle; eine Entscheidung, die die Eltern für ihr Kind während intakter Ehe für richtig gehalten hatten, kann nicht mit dem Scheitern der Ehe per se gegenstandslos werden. Umgekehrt ist zu bedenken, dass eine solche gemeinsame Entscheidung in der Regel auch auf der wirtschaftlichen Situation – Finanzierung nur eines Haushalts – beruhte und deshalb angemessen anzupassen ist.
Bei Krankheit, Behinderung o.Ä. eines Kindes ist besonders auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, ob, wann und in welchem Umfang eine Berufstätigkeit erwartet werden kann, desgleichen, wenn eine besondere Situation eine frühere Erwerbstätigkeit zumutbar erscheinen lässt.[489]
Unabhängig von der Kindesbetreuung ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte im Regelfall zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet, solange das erste Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist.
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