Rz. 385

Der Ehegatte, der ein gemeinsames Kind oder gemeinsame Kinder betreut, kann einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1570 BGB geltend machen, da er nur in eingeschränktem Umfang zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet ist. Das früher praktizierte Altersphasenmodell hatte den Umfang der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils weitgehend schematisch an der Zahl und dem Alter der Kinder orientiert. Es soll nach jetzigem Recht ersetzt werden durch eine möglichst individuelle Prüfung, ob in der konkreten Einzelfallsituation eine Erwerbstätigkeit neben der Betreuung eines Kindes oder mehrerer Kinder erwartet werden kann.[663]

 

Rz. 386

Man hat zu unterscheiden:

In den ersten drei Lebensjahren des Kindes hat der betreuende, geschiedene Ehegatte, soweit er bedürftig und der andere Ehegatte leistungsfähig ist, auf jeden Fall einen Unterhaltsanspruch ("Basisunterhalt").[664] Die Frage, ob das Kind fremdbetreut werden könnte, spielt in diesem Zeitraum keine Rolle. Eigenes Erwerbseinkommen des betreuenden Elternteils ist immer überobligatorisch und kann nur nach den Umständen des Falles teilweise berücksichtigt werden.[665]

Das Wort "mindestens" bringt zum Ausdruck, dass dieser "Basisunterhalt" verlängerbar ist. Es gibt die Verlängerung im Interesse des Kindes gemäß § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB zunächst aus allgemeinen Billigkeitsgründen und außerdem die Verlängerung wegen der nach der Scheidung fortwirkenden ehelichen Solidarität gemäß § 1570 Abs. 2 BGB aus besonderen ehebezogenen Gründen.[666]

Bei den allgemeinen Billigkeitserwägungen gemäß § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB (Verlängerung im Interesse des Kindes) sind nicht nur die Möglichkeiten der Kindesbetreuung (Betreuung durch einen Dritten, ggf. auch durch den anderen Elternteil[667]) zu berücksichtigen; die Reihenfolge im Gesetzestext zeigt, dass in erster Linie die Belange des jeweiligen Kindes maßgeblich sind.[668] Nach BGH[669] sind auch besondere – sportliche, musische oder andere – Fähigkeiten des Kindes und damit im Zusammenhang stehende, vom Unterhaltsberechtigten etwa zu erbringende Fahr- und Betreuungsleistungen zu beachten, ebenso etwaige schulische Anforderungen an die Mitarbeit der Eltern (z.B. Hausaufgabenbetreuung, Klassenpflegschaft usw.), deren Notwendigkeit und Üblichkeit vom Unterhaltsberechtigten konkret vorzutragen sind. Der Umfang solcher Aktivitäten richtet sich grds. danach, in welcher Form diese vom Kind und den Eltern schon zur Zeit des Zusammenlebens der Familie durchgeführt wurden; diese Aktivitäten dürfen die Erwerbstätigkeit allerdings nur in einem vernünftigen Maß beeinträchtigen.

Der ein Kind oder mehrere Kinder betreuende Ehegatte kann einen Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB für die Zeit nach dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes nicht mehr allein mit der Zahl und dem Alter der Kinder begründen; er muss sich vielmehr auch dazu erklären, ob eine Fremdbetreuung möglich oder warum sie unmöglich oder für das jeweilige Kind unzumutbar ist.[670] Denn der Vorrang der persönlichen Betreuung eines Kindes gegenüber einer Fremdbetreuung gilt nicht mehr, es sei denn, die Fremdbetreuung wäre aus besonderen Gründen mit dem Kindeswohl nicht vereinbar.[671]

Es ist nicht grundsätzlich ab dem dritten Geburtstag des Kindes eine volle Erwerbstätigkeit zu erwarten, sofern eine zumutbare Fremdbetreuung gewährleistet ist. Es geht vielmehr, wie die Worte "soweit und solange" in § 1570 BGB zeigen, zunächst um einen beruflichen (Wieder-)Einstieg in einem Umfang, wie er nach den konkreten Umständen des Einzelfalles möglich und – auch für das Kind – zumutbar ist.[672] Auch wenn das Kind ganztags auswärts betreut wird oder betreut werden könnte und deshalb grds. eine Ganztagstätigkeit möglich wäre, muss also geprüft werden, ob eine so umfangreiche Tätigkeit wegen des verbleibenden persönlichen Betreuungsbedarfs schon zugemutet werden kann.[673]

§ 1570 Abs. 2 BGB sieht außerdem eine Verlängerung wegen der nach der Scheidung fortwirkenden ehelichen Solidarität über den dritten Geburtstag des Kindes hinaus vor, und zwar wegen ehebezogener Umstände.[674] So wird man zu berücksichtigen haben, was die Eltern vor der Trennung dazu vereinbart hatten, ob und ggf. wann das gemeinsame Kind fremdbetreut werden solle; eine Entscheidung, die die Eltern für ihr Kind während intakter Ehe für richtig gehalten hatten, kann nicht mit dem Scheitern der Ehe per se gegenstandslos werden. Umgekehrt ist zu bedenken, dass eine solche gemeinsame Entscheidung in der Regel auch auf der wirtschaftlichen Situation – Finanzierung nur eines Haushalts – beruhte und deshalb angemessen anzupassen sein kann.

Ebenso werden die Planung und die Rollenverteilung[675] der Eheleute zu berücksichtigen sein. Dies gilt aber nur insoweit, als durch die Rollenverteilung und bei längerer Dauer der Ehe ehebedingte Nachteile entstehen werden, die – unbefristet – auszugleichen sind, solange sie vorhanden sind.[676]

Man hat im Übrigen generell zu differenzieren, ob es um die erstmalige (Wieder-)Aufnahm...

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