Rz. 710

Während in der Vorschrift des § 1568a BGB die endgültige Regelung hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Wohnung angesprochen wird, ergibt sich ein materiellrechtlicher Anspruch auf vorläufige Zuweisung der Wohnung für die Dauer des Getrenntlebens in § 1361b BGB.

aa) Begriff der Wohnung

 

Rz. 711

Unter Wohnung sind die von den Ehegatten gemeinsam genutzten Räumlichkeiten zu verstehen und nicht die beruflich genutzte Wohnung durch einen Ehepartner[1058] und ebenso wenig eine nur von einem Ehepartner genutzte Wohnung am Zweitwohnsitz.[1059]

 

Rz. 712

Verlangt einer der in der Ehewohnung lebenden Eheleute die Zuweisung der bislang gemeinsam bewohnten Wohnung zur ausschließlichen Nutzung, so ist dies nach dem Sinn und Inhalt der Vorschrift des § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB nur möglich, wenn ein weiteres Zusammenleben für den antragstellenden Ehepartner unzumutbar ist und eine unbillige Härte bedeuten würde.

 

Rz. 713

Bei der Abwägung sind besonders die Kindesinteressen (§ 1361b Abs. 1 S. 2 BGB) insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn der bislang in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehepartner permanent in grober Weise gegen den Sinn des ehelichen Zusammenlebens verstößt und mit seinem Verhalten das normale Zusammenleben praktisch unmöglich macht. Hierbei sind die vom Antragsteller behaupteten Vorfälle nach Zeit und Ort, sowie die gesamten weiteren Umstände detailliert zu schildern.[1060] Als Härtefälle gelten

unbeherrschtes und rücksichtloses Verhalten,[1061]
Alkoholexzess mit mangelnder Hygiene,[1062]
aggressives Verhalten mit Beleidigungen, Sachbeschädigung und Randalieren,[1063]
häufiges Stören der Nachtruhe, sodass objektiv die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft unzumutbar ist.[1064]

Soweit Gewalttätigkeiten betroffen sind, greifen die vorläufigen Schutzregelungen über das Gewaltschutzgesetz.

[1058] OLG Koblenz OLGR 1997, 129.
[1059] Vgl. Horndasch/Viefhues/Kemper, FamFG, § 200 Rn 7.
[1060] Vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 1440; OLG Köln FamRZ 1994, 632; Aufteilung der Wohnung nur ausnahmsweise, vgl. OLG Braunschweig FamRZ 2011, 118.
[1062] Vgl. Beispiele bei Haußleiter/Schulz, FPR 1998, 33, 35.
[1063] OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 1058.
[1064] OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 1058.

bb) Zuständigkeit des Gerichts

 

Rz. 714

Die Zuständigkeit des Familiengerichts folgt aus § 111 Nr. 5 FamFG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 201 Nr. 2 FamFG, falls noch kein Ehescheidungsverfahren im ersten Rechtszug anhängig ist, dann ggf. Verweisung an das Gericht der Ehesache (§ 202 FamFG).

cc) Ge- und Verbote

 

Rz. 715

Mit der einstweiligen Anordnung können

Räumungsgebote,
Betretungsverbote,
andere die Benutzung der ehelichen Wohnung regelnde Maßnahme,
Aufteilung der Räumlichkeiten zur Nutzung sowie Zuweisung derselben

beantragt und erlassen werden. Da insgesamt keine Familienstreitsachen vorliegen, greifen für den einstweiligen Rechtschutz die § 49 ff. FamFG, da keine Spezialregelung im Gesetz vorgesehen ist.

 

Rz. 716

Für die Vollstreckung greifen die Vorschriften der §§ 86 ff. FamFG in Verbindung mit den Besonderheiten für die Ehewohnungssachen in § 209 FamFG (Anordnung der sofortigen Vollziehung; Anordnungen der Vollstreckung vor der Zustellung an den Antragsgegner).

dd) Muster: Einstweilige Anordnung auf Regelung hinsichtlich der Ehewohnung

 

Rz. 717

Muster 15.79: Einstweilige Anordnung auf Regelung hinsichtlich der Ehewohnung

 

Muster 15.79: Einstweilige Anordnung auf Regelung hinsichtlich der Ehewohnung

An das

Amtsgericht

– Familiengericht –

Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

der Frau _____

– Antragstellerin –

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte: _____

gegen

Herrn _____

– Antragsgegner –

bestellen wir uns zu Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unter Vorlage der uns legitimierenden Vollmacht. Wir beantragen,

im Wege der einstweiligen Anordnung gem. den §§ 49 ff. FamFG – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – dem Antragsgegner aufzugeben, die bisherige eheliche Wohnung, gelegen im Hause _____ 1. Stock, bestehend aus _____, zu verlassen und nicht mehr zu betreten.

Begründung:

_____

ee) Anmerkungen zum Muster

 

Rz. 718

Zuständigkeit: Familiengericht (örtlich zuständiges Gericht: Bezirk der Ehewohnung, bei Anhängigkeit der Ehesache das dann zuständige Familiengericht)
Rubrum: beteiligte Eheleute, nicht Dritte, beteiligte Lebenspartner

Antrag:

(...) dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung – der Dringlichkeit wegen ohne mündlicher Verhandlung – aufzugeben, die im Hause (...) gelegene eheliche Wohnung bestehend aus (...) Räumen zu verlassen und nicht mehr zu betreten.

Oder:

Im Wege der einstweiligen Anordnung die Benutzung der ehelichen Wohnung im Hause (...) wie folgt zu regeln:
Dem Antragsteller wird mit Ausnahme der Küche und der Flurräume sowie dem Kellerabgang die ausschließlich Nutzung der übrigen im Erdgeschoss gelegenen Räume, der Antragsgegnerin werden die im Obergeschoss befindlichen Räume zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen, die Küche im Erdgeschoss zur gemeinsamen Benutzung für den Antragsteller in der Zeit von morgens 6:30 Uhr bis 7:30 Uhr, für die Antragsgegnerin für den Rest des Tages mit Ausnahme d...

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