Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
I. Einführung
Rz. 156
Am häufigsten und erbittertsten wird im Familienrecht über den Unterhalt gestritten. Das überrascht nicht. Beim Zugewinnausgleich geht es um eine einmalige Zahlung, und der Versorgungsausgleich wirkt sich in der Regel erst in ferner Zukunft aus. Durch die Festlegung des Unterhalts wird jedoch das Leben der Beteiligten häufig über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, bestimmt. Anders als in sonstigen Bereichen des Familienrechts beendet zudem eine gerichtliche Entscheidung oder ein Vergleich häufig den Streit nicht endgültig; vielmehr kann er über einen Abänderungsantrag immer wieder neu entstehen.
Rz. 157
Weil der Unterhalt so große Bedeutung hat, ist die Versuchung groß, sich an Berechnungsschemata zu klammern. Das geht oft so weit, dass Unterhalt bis auf zwei Stellen hinter dem Komma ermittelt wird. Dabei wird übersehen, worum es eigentlich geht: Die – häufig knappen – Mittel sollen auf die verschiedenen Beteiligten möglichst angemessen verteilt werden. Wer für einen Mandanten eine unterhaltsrechtliche Auseinandersetzung führt, muss sich deshalb zwar an gewissen, von der Rechtsprechung aufgestellten Regeln orientieren. Er hat jedoch immer zu überprüfen, ob das so ermittelte Ergebnis angemessen ist. Bei Einzelfragen sind die Leitlinien der verschiedenen OLG und die teilweise umfangreichen Standardwerke zum Unterhaltsrecht heranzuziehen.
II. Unterhalt für ein minderjähriges Kind
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 158
Die Eheleute F und M haben sich getrennt. F ist halbtags erwerbstätig mit einem Monatsnettoeinkommen von 800 EUR, M ist ganztags erwerbstätig und verdient 1.600 EUR netto monatlich. M und F haben zwei schulpflichtige Kinder im Alter von 9 und 5 Jahren, die bei F leben. Das Kindergeld in Höhe von je 219 EUR wird an F ausgezahlt.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 159
Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 1601, 1602 Abs. 1 BGB: Die Eltern sind zur Unterhaltsleistung verpflichtet, wenn sich das minderjährige Kind nicht selbst unterhalten kann.
a) Unterhaltsarten
Rz. 160
Es gibt zwei Arten des Unterhalts für minderjährige Kinder: Gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB leistet der betreuende Elternteil den Unterhalt im Regelfall durch Pflege und Erziehung des Kindes (Naturalunterhalt). Der nicht betreuende Elternteil hat gemäß § 1612 BGB Barunterhalt zu leisten durch Zahlung einer monatlich im Voraus fälligen Geldrente.
Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich die Kindeseltern in anderer Weise einigen können, beispielsweise durch – teilweise – Naturalunterhaltsleistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.
b) Unterhaltshöhe
aa) Gesetz
Rz. 161
Basis für die Berechnung des Mindestunterhalts gemäß § 1612a BGB ist der verdoppelte steuerliche Kinderfreibetrag, der 2021 für jeden Elternteil 2.730 EUR ausmacht, so dass also für 2021 grundsätzlich alle Berechnungen des monatlichen Unterhalts auszugehen hätten von (2.730 × 2) : 12 = 455 EUR; dies sind 100 % des Mindestunterhalts. In der ersten Altersstufe (bis zum 6. Geburtstag) wären 87 % hiervon zu zahlen, also – aufgerundet gemäß § 1612a Abs. 2 S. 2 BGB – 396 EUR, in der zweiten Altersstufe (bis zum 12. Geburtstag) 100 % und damit 455 EUR sowie in der dritten Altersstufe (ab dem 12. Geburtstag) 117 %, also 532 EUR. Wird der steuerliche Kinderfreibetrag künftig erhöht, so passt sich damit der Mindestunterhalt automatisch an geänderte Lebenshaltungskosten an.
Bei Entwicklung der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021 war allerdings von einem Kinderfreibetrag von 2.706 EUR ausgegangen worden, so dass tatsächlich die Werte in der für 2021 gültigen Düsseldorfer Tabelle hiervon geringfügig abweichen: 100 % 451 EUR statt 455 EUR, dementsprechend 393 EUR in der ersten Altersstufe sowie 528 EUR in der dritten Altersstufe.
Der Mindestunterhalt kann verlangt werden, ohne dass zum Einkommen des Schuldners etwas vorgetragen oder bewiesen werden müsste. Mindestunterhalt bedeutet jedoch nicht, dass stets jedenfalls dieser Betrag gezahlt werden müsste; es bleibt vielmehr dabei, dass sich die Unterhaltshöhe gemäß § 1603 BGB nach der Leistungsfähigkeit des Schuldners richtet: Zu geringes Einkommen des Schuldners führt zu einer Reduzierung unter den Mindestunterhalt, wobei es Sache des Schuldners ist, seine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse einzuwenden und zu beweisen; wi...