Rz. 428

Weitere Voraussetzung für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit ist das Vorliegen einer Einsatzzeit nach § 1572 Nr. 1–4 BGB, also

Scheidung,
Beendigung der Kindesbetreuung, der Ausbildung, Fortbildung und Umschulung oder
Wegfall eines Unterhaltsanspruchs nach § 1573 BGB.[740]

Der Unterhaltsanspruch muss im Übrigen nicht geltend gemacht worden sein.[741] Es genügt, wenn der Anspruch dem Grunde nach gegeben war.[742]

Der Anspruch aus § 1572 BGB ist gegenüber demjenigen wegen Erwerbslosigkeit gem. § 1573 BGB nachrangig.[743]

Die Einsatzzeit Scheidung ist noch gegeben, wenn eine bei Scheidung zumindest latent, also in ihren Ursachen vorhandene Erkrankung erst kurze Zeit später zur Erwerbsunfähigkeit führt.[744] Es muss jedoch ein enger zeitlicher[745] und sachlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten oder der Verschlimmerung der Erkrankung vorliegen.[746] Nicht ausreichend ist, wenn zwar zum Zeitpunkt der Scheidung eine in der Entwicklung befindliche Krankheit vorhanden war, jedoch nur durch Hinzutreten weiterer, nach Scheidung ausgelöster Ursachen die Erkrankung ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat.[747]

 

Beachten!

Zu prüfen sind immer alle Einsatzzeitpunkte, also auch § 1572 Nr. 4 BGB (Wegfall eines Anspruchs nach § 1573 BGB). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Erkrankung ein Aufstockungsunterhalt in Betracht kam. Er muss tatsächlich nicht geltend gemacht worden sein.[748]

 

Rz. 429

Tritt eine Krankheit erst nach den Einsatzzeitpunkten auf, so ergibt sich daraus kein Unterhaltsanspruch.[749] Ausnahme: Die Krankheit war bereits zu einem Einsatzzeitpunkt – ggf. noch unerkannt – vorhanden und bricht in zeitlicher Nähe erst später aus.[750] Der Gläubiger trägt die Beweislast für das Vorhandensein der Krankheit zu einem Einsatzzeitpunkt, ferner auch dafür, dass die krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit fortbesteht.[751]

[740] Vgl. dazu Soyka, FK 2006, 19.
[741] Soyka, FK 2006, 19, 21.
[743] OLG München FamRZ 1997, 295.
[745] Bei 21 Monaten seit Rechtskraft der Scheidung fehlt es am engen zeitlichen Zusammenhang, so OLG Koblenz FK 2006, 19 m. Anm. Soyka; BGH FamRZ 2001, 1291: 23 Monate sind zu viel; KG FamRZ 2002, 460: 1 Jahr ist unschädlich.
[746] BGH FamRZ 1987, 684, 687; BGH FamRZ 2001, 1291; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 233.
[748] BGH FamRZ 2001, 1291; vgl. dazu Soyka, FK 2006, 19, 21.
[749] In besonderen Fällen ist ein Billigkeitsunterhalt gemäß § 1576 BGB denkbar, BGH FamRZ 1990, 496; BGH FamRZ 2003, 1734.

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