Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
aa) Allgemeines
Rz. 699
Zu den Kindschaftssachen zählt gemäß § 151 Nr. 3 FamFG auch der gesamte Bereich der Kindesherausgabe. Hierzu gehört nicht nur die Herausgabe eines Kindes an einen Elternteil gemäß § 1632 BGB. Ebenso sind hier die Verfahren einzuordnen, bei denen es um den Verbleib eines Kindes in der Familienpflege geht, oder aber die Herausgabe an einen Pfleger betroffen ist.
Rz. 700
Mit der sog. Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB wird einer Vorenthaltung des Kindes durch eine Pflegeperson die Widerrechtlichkeit genommen. Es soll damit verhindert werden, dass Kinder, die sich schon seit längerer Zeit in Dauerpflege bei dritten Personen befinden, durch Herausgabeverlangen der Eltern zur "Unzeit" in ihrer Entwicklung gefährdet werden.
bb) Rechtsbehelfe und Vollstreckung
Rz. 701
Einstweilige Anordnungen auch im Zusammenhang mit der Kindesherausgabe sind – da FGG-Familiensache – gemäß §§ 49 ff. FamFG möglich. Sie sind dann zulässig, wenn zur Abwendung der dem Kind drohenden Gefahr eine solche einstweilige Maßnahme erforderlich ist. Gegen Entscheidungen des Familiengerichts betreffend die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil wie auch über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- und Bezugsperson gewährt das Gesetz in diesen Ausnahmefällen das sofortige Beschwerderecht gemäß § 57 Nr. 1,2 und 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
Rz. 702
Für die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung auf Herausgabe verweist § 89 FamFG auf die Ordnungsmittel gem. § 89 FamFG, wonach das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen kann (beide Anordnungen ergehen durch Beschluss, § 89 Abs. 1 S. 3 FamFG).
cc) Muster: Einstweilige Anordnung auf Kindesherausgabe
Rz. 703
Muster 15.77: Einstweilige Anordnung auf Kindesherausgabe
Muster 15.77: Einstweilige Anordnung auf Kindesherausgabe
An das
Amtsgericht
– Familiengericht –
_____
Bitte sofort vorlegen!
Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
des Herrn _____
– Antragstellers –
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte _____
gegen
Frau _____
– Antragsgegnerin –
wegen: Herausgabe eines Kindes
Wir bestellen uns unter Vorlage beigefügter Vollmacht zu Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers.
Wir stellen den Antrag,
a) |
der Antragsgegnerin aufzugeben, das gemeinsame Kind der Parteien _____, geboren am _____, an den Antragsteller herauszugeben; |
b) |
für den Fall der Verweigerung bzw. Zuwiderhandlung wird unmittelbarer Zwang gemäß den §§ 35, 89 FamFG angedroht; |
c) |
durch gesonderten Beschluss des Gerichts einen zu bestimmenden Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung zu beauftragen und ihn zu ermächtigen, die Anordnung notfalls unter Hinzuziehung von Polizeibeamten unter Anwendung von Gewalt durchzusetzen, wobei dem Gerichtsvollzieher auch gestattet ist, die Wohnung der Antragsgegnerin zu durchsuchen. |
Begründung:
_____
dd) Anmerkungen zum Muster
Rz. 704
▪ |
Zuständigkeit: Familiengericht |
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Rubrum: Parteibezeichnung/Beteiligte |
▪ |
Antrag:
▪ |
(...) im Wege der einstweiligen Anordnung wegen der besonderen Eilbedürftigkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung und Anhörung dem Antragsgegner aufzugeben, das gemeinsame minderjährige Kind der Parteien (...), geboren am (...), an die Ehefrau/den Ehemann herauszugeben. |
▪ |
(ergänzend bei zu befürchtender Verweigerung der Herausgabe:) (...) dem Antragsgegner für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von (...) EUR, ersatzweise Zwangshaft anzudrohen. |
▪ |
(oder bei Entführung im Ausland:) Zugleich wird beantragt, gegen den Antragsgegner Zwangshaft gemäß § 35 Abs. 3 FamFG anzuordnen und Haftbefehl zu erlassen. |
▪ |
(oder Androhung unmittelbaren Zwangs:) Gleichzeitig wird beantragt, dem Antragsgegner gemäß §§ 35 Abs. 3, 89 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG unmittelbaren Zwang anzudrohen, dass bei Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zur Kindesherausgabe der zuständige Gerichtsvollzieher beauftragt wird, unter Hinzuziehung von Polizeibeamten und Anwendung von Gewalt das Kind (...) aus dem Haushalt des Antragsgegners herauszuholen. |
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Die Begründung muss enthalten:
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Statustatsachen |
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Lebenssituation der Eltern, Lebenssituation des Kindes, bei gemeinsamem elterlichen Sorgerecht Kindeswohlgefährdung bei weiterem Aufenthalt beim anderen Elternteil |
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Darstellung der Weigerung des anderen Elternteils/Dritten, das Kind nach Ablauf etwa der Besuchszeit zurückzubringen |
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bei Entführung ins Ausland: Darstellung, dass das Kind vom umgangsberechtigten Elternteil ins Ausland entführt worden ist und er sich weigert, das Kind von dort zurückzubringen (deshalb Haftanordnung gegen den Antragsgegner) |
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Darstell... | |