Rz. 354

Jeder Ehegatte ist in der Regel nach Ablauf eines Trennungsjahres zur Erwerbstätigkeit verpflichtet sowie für die Zeit ab Scheidung gemäß § 1569 BGB verpflichtet, sich selbst zu unterhalten. Nur soweit ihm das objektiv nicht möglich ist, kann er gemäß §§ 1570 bis 1576 BGB nachehelichen Unterhalt verlangen. § 1569 stellt den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund, betont den Ausnahmecharakter des nachehelichen Unterhalts und verlangt positiv, dass sich jeder Ehegatte selbst zu unterhalten hat, also Unterhalt nur (dieses Wort ist im Gesetz hinzugefügt worden) beanspruchen kann, soweit er dazu nicht in der Lage ist. Dieses Regel- und Ausnahmeverhältnis gibt den gesetzlichen Grundsatz wieder, so dass der Gläubiger die tatsächlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs darlegen und beweisen muss.

Gemäß § 1574 BGB wird vom Gläubiger erwartet, dass er eine objektiv "angemessene" Tätigkeit ausübt. Was angemessen ist, ist gemäß Abs. 2 nicht nur anhand der Kriterien Ausbildung, Fähigkeiten, Lebensalter und Gesundheitszustand zu ermitteln, sondern insbesondere auch nach dem neu hinzugefügten Kriterium, welche Erwerbstätigkeit früher ausgeübt worden ist.[562] Abweichend vom früheren Recht muss sich der Unterhaltsgläubiger darauf berufen, eine für ihn mögliche Tätigkeit sei wegen der ehelichen Lebensverhältnisse unbillig. Die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass eine Erwerbstätigkeit von den ehelichen Lebensverhältnissen unzumutbar abweicht, muss der Gläubiger also als Einwand vorbringen und ggf. beweisen; äußert er sich nicht, so wird eine Tätigkeit auch dann als zumutbar angesehen, wenn sie objektiv unter dem ehelichen Niveau liegt. Eine Garantie dafür, dass es beim ehelichen Lebensstandard bleiben wird, gibt es also nicht; der Unterhaltsgläubiger wird sich in vielen Fällen mit einer Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse (jedenfalls nach einiger Zeit, § 1578b BGB) abfinden müssen.

Übt der Gläubiger eine der Art oder dem Umfang nach unzumutbare Tätigkeit aus, so kann das daraus erzielte Einkommen gemäß § 1577 Abs. 2 BGB nur nach Billigkeit berücksichtigt werden.

[562] Nach der Begründung des Gesetzentwurfs, die auf BGH FamRZ 2005, 23, 25 verweist, soll "die Erwerbstätigkeit in einem früher ausgeübten Beruf … grds. immer angemessen" sein. Das gilt auch dann, wenn der jetzt Unterhalt beanspruchende Ehegatte – wie im Fall des BGH – während der Ehe eine Tätigkeit ausgeübt hat, die unter seiner Qualifikation lag.

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