a) Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit
Rz. 82
Die Vereinbarung disquotaler Gewinnbeteiligungen, also eine vom Umfang der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen bzw. Kapital abweichende Beteiligung an Gewinnen und Ausschüttungen, ist gesellschaftsrechtlich ohne Weiteres möglich. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber selbst in § 709 Abs. 3 BGB (vor dem MoPeG in § 722 BGB a.F.) vorgesehen hat, dass in der GbR die Gewinne im Zweifel (also bei fehlender Regelung durch die Gesellschafter) nicht entsprechend den geleisteten Einlagen, sondern nach Köpfen unter den Gesellschaftern verteilt werden.
Grundsätzlich gilt aber das Primat der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Demzufolge richtet sich die Gewinnverteilung vorrangig nach den vereinbarten Beteiligungsverhältnissen (§ 709 Abs. 3 S. 1 BGB). Das bis Ende 2023 vorrangige "Kopf-Prinzip" bildet nach der jetzigen Konzeption des Gesetzes die Ausnahme.
Rz. 83
Für die OHG nimmt § 120 Abs. 1 S. 2 HGB (i.d.F. des MoPeG) ebenfalls auf § 709 BGB Bezug. Der nach § 121 Abs. 1 S. 1 HGB a.F. jedem Gesellschafter zustehende Gewinnvoraus i.H.v. jährlich 4 % seines Kapitalanteils wurde mit Wirkung zum 1.1.2024 gestrichen. Auch hier gilt also vorrangig die individuelle Vereinbarung der Gesellschafter.
Der Gewinnanspruch entsteht mit der Feststellung des Jahresabschlusses.
Rz. 84
Dieselben Grundsätze gelten über die Verweisung in § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft. Die bis Ende 2023 bestehende Sonderregelung (§ 168 HGB a.F.) wurde durch die Änderungen in §§ 120 ff. HGB obsolet.
Rz. 85
Allerdings sind sämtliche vorgenannte Regelungen dispositiv. Den Gesellschaftern steht es also grundsätzlich frei, auch anderweitige gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen – entsprechend den individuellen Bedürfnissen – zu treffen.
Rz. 86
Ähnlich wie bei Personengesellschaften können auch in GmbHs durch entsprechende Satzungsregelung disquotale Gewinnbezugsrechte vereinbart werden. Nach § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG sind Abweichungen von dem in § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG fixierten Grundsatz der Gewinnverteilung entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander ausdrücklich zulässig.
Rz. 87
Für die Aktiengesellschaft regelt § 60 Abs. 3 AktG die Möglichkeit der satzungsmäßigen Vereinbarung eines vom Verhältnis der Aktiennennbeträge zueinander abweichenden Gewinnverteilungsschlüssels.
b) Auswirkungen auf die Bewertung
Rz. 88
Da es nach zutreffender Ansicht der Rechtsprechung für den Wert des Anteils entscheidend auf die dem Anteilseigner zufließenden Entnahmen bzw. Ausschüttungen ankommt, muss nach h.M. der Anteilsbewertung (nach der indirekten Methode) die Quote, mit der der jeweilige Anteil am Wert des Gesamtunternehmens teilhat, von vornherein anhand der Gewinnanteilsquote bestimmt werden.
Rz. 89
Soweit – wie in den meisten Fällen – von einer dauerhaften Fortführung des Unternehmens auszugehen ist, sind bei dieser Vorgehensweise keine weiteren Korrekturen für disquotale Gewinnbezugsrechte erforderlich. Auch solche Fälle, in denen – z.B. im Hinblick auf einen gesellschaftsvertraglich bestimmten Beendigungszeitpunkt – auch der Anteil des Gesellschafters am Liquidationserlös für die Bewertung eine Rolle spielt, sind relativ leicht zu lösen: Denn hinsichtlich der laufenden Erträge ergeben sich gegenüber dem vorher Gesagten keine Besonderheiten. Der ebenfalls in die Bewertung einzubeziehenden Beteiligung am Liquidationserlös ist aber die hierfür maßgebliche, abweichende Quote zugrunde zu legen.
Rz. 90
In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass Vergütungen, die einzelne Gesellschafter z.B. für ihre Tätigkeit in der Gesellschaft oder für die Überlassung bestimmter Vermögensgegenstände an die Gesellschaft erhalten, auch dann keinen Einfluss auf den Anteilswert haben, wenn sie in Form eines erhöhten Gewinnanteils geleistet werden. Denn die Aufstockung des Gewinnanteils stellt hierbei ein Entgelt für die Erbringung...