Rz. 163
Die Ausübung des Wahlrechts nach § 131 HGB kann den Wert des ererbten Gesellschaftsanteils in vielfältiger Weise beeinflussen. Insbesondere in den Fällen, in denen die Einräumung der Kommanditistenstellung sich auf den dem Erben zustehenden Gewinnanteil auswirkt, stellt sich die Frage, ob der Gewinnanteil des Erblassers oder der des Erben der Anteilsbewertung zugrunde zu legen ist.
Rz. 164
Auf den ersten Blick ließe sich das Problem unter Rückgriff auf das Stichtagsprinzip recht einfach lösen, indem man auf die Situation in der logischen Sekunde des Erbfalls abstellt. Auf diese Weise ergäbe sich die Maßgeblichkeit der Verhältnisse zu Lebzeiten des Erblassers. Dieser Ansatz ist jedoch im Ergebnis nicht haltbar. Denn vor dem Hintergrund, dass der Pflichtteilsberechtigte (nur) so gestellt werden soll, wie er stehen würde, wenn er selbst in Höhe seiner Pflichtteilsquote Erbe geworden wäre, können die in § 131 HGB verbrieften, zugunsten des Erben durch den Erbfall (automatisch) entstandenen Rechte nicht unberücksichtigt bleiben.
Rz. 165
Auf der anderen Seite kann nicht allein das Bestehen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit einen Wertabschlag zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten rechtfertigen. Eine genaue Betrachtung des Einzelfalls ist vor diesem Hintergrund also unumgänglich. Jedoch kommt es auch hierbei nicht in erster Linie auf das tatsächliche Verhalten des Erben und die in seiner Person eintretenden Konsequenzen an; vielmehr ist – wieder einmal – auf die wirtschaftlich sinnvolle Sichtweise des idealen Erben abzustellen.
Rz. 166
Im Ergebnis laufen diese Überlegungen auf eine zweistufige Prüfung hinaus: Am Anfang steht die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Eingreifens der persönlichen Haftung der Gesellschafter. Spricht objektiv eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Erbe als persönlich haftender Gesellschafter mit seinem (ursprünglichen) Eigenvermögen – also nicht etwa bloß mit seit dem Erbfall aus der Beteiligung erwirtschafteten Gewinnen – in Anspruch genommen werden könnte, ist die Forderung nach Einräumung der Kommanditistenstellung die wirtschaftlich sinnvollste Entscheidung. Die Bewertung hat dann auf dieser Grundlage zu erfolgen.
Rz. 167
Ist das Haftungsrisiko eher theoretischer Natur, kann also eine persönliche Inanspruchnahme des Erben – mehr oder weniger – ausgeschlossen werden, besteht nicht per se eine Notwenigkeit, für die Kommanditistenstellung zu optieren oder gar aus der Gesellschaft auszuscheiden. In diesem Fall ist, ebenso wie in den sonstigen Fällen einer nicht überwiegenden Wahrscheinlichkeit der persönlichen Inanspruchnahme des Erben, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchzuführen, welche Handlungsalternative zum günstigsten Ergebnis führt. Insoweit gelten dann die allgemeinen Grundsätze.
Rz. 168
In diesem Zusammenhang sei aber darauf hingewiesen, dass bei einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme der Gesellschafter bereits der sich unter Ertrags- oder Cash-Flow-Gesichtspunkten ergebende Unternehmens- bzw. Anteilswert entsprechend geringer ausfällt. Der Wechsel in die Kommanditistenrolle kann sich dann als die wirtschaftlich günstigste Alternative darstellen. Unter Umständen kann sogar ein Ausscheiden aus der Gesellschaft vorteilhafter sein als die Beibehaltung der ursprünglichen Gesellschafterstellung.