a) Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit
aa) Grundsätzliches
Rz. 115
Wie bereits ausgeführt, sind Abfindungsklauseln, also Regelungen zur Abfindungsbeschränkung im Falle des Ausscheidens von Gesellschaftern, prinzipiell (und mitunter auch mit sehr weitreichenden Folgen) gesellschaftsrechtlich zulässig (vgl. Rdn 14 f.).
Sie haben u.a. den Vorteil, dass Unklarheiten bzw. Streitigkeiten über die im Ausscheidensfall anzuwendende Bewertungsmethode und über die Höhe des Abfindungsanspruchs vermieden werden (Rationalisierungs- und Schlichtungsfunktion).
Rz. 116
Während für den Fall des Ausscheidens durch Tod sogar ein vollständiger Abfindungsausschluss eingreifen kann, stellt sich für den Fall des Ausscheidens unter Lebenden die Frage, wo die Grenzen der Gestaltungsfreiheit gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln liegen, und anhand welcher Kriterien die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit im Einzelfall zu beurteilen ist.
Insoweit sind sich Rechtsprechung und Literatur dahingehend einig, dass zunächst zwei typische Fallgruppen zu unterscheiden sind, die in der Folge anhand verschiedener Kontrollmaßstäbe beurteilt werden müssen.
Rz. 117
Einerseits können Abfindungsklauseln bereits im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung eine unangemessene Benachteiligung des Gesellschafters bewirken. In diesem Fall wird als Maßstab für die Kontrolle der Wirksamkeit der Klausel vor allem auf § 138 BGB zurückgegriffen. Als Nichtigkeitsgründe kommen sowohl die Beeinträchtigung eines oder mehrerer Gesellschafter durch eine übermäßige Einschränkung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit (Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes) als auch der Gesichtspunkt der Gläubiger- oder Drittbenachteiligung in Betracht. Rechtsfolge der Nichtigkeit ist, dass die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses grob unbillig erscheinende Klausel – entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 139 BGB aber nicht der gesamte Gesellschaftsvertrag – als sittenwidrig und daher von Anfang an nichtig anzusehen ist. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht, da ansonsten der Sittenverstoß immer noch einen teilweisen Erfolg zeitigen könnte. Somit kann an die Stelle der weggefallenen Regelung nur die gesetzliche Vorschrift des § 728 Abs. 1 S. 1 BGB treten, wodurch der Gesellschafter zu einem vollwertigen Abfindungsanspruch gelangt.
Rz. 118
Andererseits kann sich aber eine Diskrepanz zwischen Klauselwert und tatsächlichem Wert des Anteils auch erst im Laufe der Zeit ergeben, so dass eine Überprüfung der Klausel in erster Linie ihre Angemessenheit und nicht ihre Wirksamkeit an sich zum Gegenstand hat. Maßstab für die Inhaltskontrolle sind vor allem die Grundsätze von Treu und Glauben, § 242 BGB.
Rz. 119
Soweit die Motive, die die Gesellschafter zu einer – mittlerweile – zu beanstandenden Regelung bewogen haben, im Grundsatz anzuerkennen sind und nur bei der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung die Grenzen der Zulässigkeit überschritten wurden, tritt laut BGH an die Stelle der vertraglich vereinbarten eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende "angemessene" Abfindung. Bei der Bemessung sind auch die von den Gesellschaftern mit der ursprünglichen Abfindungsregelung verfolgten Zwecke sowie die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen der Verhältnisse zu berücksichtigen. Ziel ist es dabei, dass die aus dem übrigen Vertragsinhalt und den bei Vertragsschluss gegebenen Umständen ableitbaren Grundzüge des Vertrages "zu Ende gedacht werden". Es ist also der hypothetische Parteiwille zu ermitteln, und zwar unter Einbeziehung einer objektiven Abwägung der wechselseitigen Interessen, soweit diese bereits bei Abfassung der ursprünglichen Abfindungsklausel Bedeutung hatten. Ein Rückgriff auf die dispositive Regelung des § 728 BGB kommt nur als "letzter Notbehelf" in Betracht.